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Der Herbst belagert meine Seele,
Und wie ein kleines Häufchen Elend
Kriecht sie, aufs Minimum geschrumpft,
In einen kreativen Sumpf,
Bewohnt von flüchtigen Chimären
Des Kopfes rechter Hemisphäre,
Die mich verführen wiederum
Und lachen sich wahrscheinlich krumm,
Weil ich, ein Sklave meiner Gene,
(Das muss ich nebenbei erwähnen)
Den ganzen Tag und halbe Nacht
Nach Reimen suche, bleibe wach,
Zermahle Träume und Gefühle
Zum Vers in meines Geistes Mühle,
Mal melancholisch und mal nein
Und liebe diese süße Pein –
Mein Trotz dem Alltag und Revolte.
Auch wenn es keiner lesen wollte!
27.10.2016

Das Gebet Nr. 2

Sehnsucht verformt den Mund,
Und nach Erklärung suchend,
Bete ich: „Bleibe und
führe mich nicht in Versuchung.
 
Lass‘ es bitte nicht zu,
Werde nicht zum Verhängnis,
Frage mich nicht, wozu
Dieses Anti-Bekenntnis.
 
Die Verräterin-Nacht
Tarnt sich mit deiner Stimme.
Wer verlieh ihr die Macht
Über mich zu bestimmen?
 
Durch die Träne ein Hauch:
Ich bekenne mich schuldig
Und vergebe dir auch,
Mich nicht stärkende Schulter.
 
Und bekämpfe die Kraft
Meiner Gefühle. Amen.“
Stille… und katzenhaft
Kriecht in mein´ Kopf dein Name.
 
20.10.2016

Das Gebet Nr. 1

Träume. Romantisch-obszön.
Was nicht ist, kann noch werden,
Wie im Himmel so schön,
Doch wohl eher auf Erden.
 
Ohne Verzicht – kein Gewinn.
Ohne Dorn – keine Gnade.
Nach dem Ende – Beginn.
Nach dem Kreis – Promenade.
 
Lieber allein – als tot.
Ohne Einheit – kein Ganzes.
Gib mir mein täglich Brot:
Leben, und lieben, und tanzen.
 
20.10.2016

Die Eitelkeit der Sinne

Wie eine träge Katze auf der Lauer,
Liegt der Oktober wartend vor der Tür.
Der alte Park, so feierlich und traurig,
Übt mit den Blättern eine Abschiedskür.
 
Mit seinem kreischenden „Hasta la vista“
Verlässt das Bild ein Vogel-Vagabund,
Und würdig eines Expressionisten
Erhellt das kühle Blau den Hintergrund.
 
Ein Windeshauch berührt die bunten Kronen,
Die Farbenpracht – das reine Plagiat:
Fauvistisch-provozierend grelle Töne
Auf eine unverwechselbare Art.
 
Bekanntlich ist die Kunst eine Domäne,
Doch ich behaupte mal, dass jedermann,
Der diesen Ahorn mit der roten Mähne
Nur einmal sah, ein Maler werden kann.
 
Die Luft ist klar, die ganze Welt hält inne
Als hätte sie zum Wachsein keine Lust.
Die überspitzte Eitelkeit der Sinne
Wird mir in diesem Augenblick bewusst.
 
Wie unterschätzt und manchmal als unwichtig
Und trivial und öde abgetan,
Empfinden wir das Einfache und Schlichte,
Die Zeit mit Unbeständigem vertan.
 
Wir lechzen nach dem Duft der fremden Wälder,
Bewundern Meere und den Wüstensand,
Und aus der nächsten Nähe Marcs Gelände
Bleibt dilettantisch-unverdient verkannt.
 
Wir suchen außerhalb nach neuen Reizen.
Die Gier nach mehr – rein menschliches Delikt!
Und merken nicht, dass Scharm allein und einzig
In wachen Augen des Betrachters liegt.
 
Borbeck, 14.10.2016
(Bild von Lilija Grieger)

Zu diesem Bild

Du denkst wohl, du verstehst mein abgezehrtes Ich,
Des Fremden kalter Blick, Voyeur und Menschenkenner,
Und liest wie ein Roman mein trauriges Gesicht –
Das Fach Psychologie ist jedermann Domäne.

Du siehst in mir den Hohn und eine stolze Frau,
Noch jung, doch zu enttäuscht, um noch einmal zu lieben,
Verbittert und vergrämt stellt sie sich hier zur Schau,
Aus ihrem Paradies der Hoffnungen vertrieben.

Du glaubst, mich zu durchschau`n, die Eitelkeit erkannt,
Bemalte Schulter als ein Zeichen dieser deutend.
Und unterschätzt vielleicht des Künstlers weise Hand,
Die meinen tiefen Schmerz dir offenbaren scheute.

20.10.2016

Die Sucht nach Sehnsucht

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Illistriert von Lilija Grieger

Ich bin schon wieder auf der Flucht
aus dem Nirwana,
Zur Unbeständigkeit verflucht,
den Abgrund ahnend.

Aus einem unbeschwerten Nichts,
nach Leben gierig,
Will ich in mein fragiles Ich
reinkornieren.

Ich war so lange auf Entzug,
geheilt und dennoch
Bleibt bis zum letzten Atemzug
die Sucht nach Sehnsucht.

06.10.2016