Ein neues Kleid

Das Kleid abzulegen ist nur ein halber Akt
Des freien Willens, gerühmt von dem Weisen Erasmus.
Ohne ein Neues fühlt sich die Seele nackt,
Erfüllte Wünsche – wie ein schwacher Orgasmus.

Die lähmenden Zweifel stehlen die kostbare Zeit,
In Gottes Händen stöhnt der geknechtete Wille.
Das Leben liefert den Stoff für ein neues Kleid,
Das Marihuana erweitert nur die Pupillen.

Mit der Erkenntnis: Alles ist relativ,
Jedem die seinige gut angepasste Wahrheit, –
Seh` ich die Welt durch das schwankende Objektiv
Und hoffe, verbohrt und naiv, auf Gedankenklarheit.

Auf dem alten Kanapee

Ich stehe im Oktober meines Lebens.
Ich liebe diese müde Jahreszeit.
Die Sommerträume waren nicht vergebens,
Vergnüglich trug ich mein geblümtes Kleid.
Jetzt brauche ich ein kuscheliges neues,
Verwachsen mit dem alten Kanapee,
Ich warte ohne Bitterkeit und Reue
Auf kalte Wintertage und den Schnee.

Maslow’sche Pyramide

In jedem Menschen steckt ein Paradies
und eine Hölle.
Zum Vorschein kommt mal jenes oder dies,
je nach der Rolle.
Mal sind wir geistig-fein und kreativ
und damit glücklich,
Doch lebt sich leichter affen-primitiv
und augenblicklich.
Herr Maslow hat das leider nicht erwähnt:
Der Geist macht müde.
So mancher hat`s erkannt und abgelehnt
Die Pyramide
Und blieb getrost im unteren Bereich
Seiner Gelüste,
Je dümmer, desto cooler und sogleich
auch selbstbewusster!

Das Wesen des Glückes

Lieber völlig unwissend
Als in dem falschen Wissen
Suchen, zweifeln und bangen.
Lieber Schmerz aus Verlangen
Als die nüchterne Leere.
Lieben, träumen, begehren,
Selbst- und harmlos, und ohne
Forderung auf Belohnung, –
Ist die einzige Fülle.
Geht ein Wunsch in Erfüllung,
Werden Schlösser zu Erde
Und die Liebenden werden
In der Wirklichkeitsmühle
Zu der Einsicht genötigt,
Ihren Traum zu ersticken.

Liegt das Wesen des Glückes
In der Ferne der Ziele?

Satellit

Mein Kopf – die Erde, du – ihr Satellit.
Du malst um ihn elliptisch-weite Kreise.
Ich will hier raus. Doch leider nimmt man mit
Den sturen Grübler überall auf Reisen.

Betäubung hilft nicht. Ist zu mild der Wein –
Der letzten Hoffnung unverbrauchter Nachlass.
Den guten Tropfen trinkt man nicht allein.
Er war gedacht für einen schönen Anlass.

Ich bitte dich, verlasse den Orbit
Auf deinem Weg ins kalte Universum.
Ich will hier raus. Ich nehme dich nicht mit
In meine Welt der traurig-warmen Verse.