Beziehungsunfähig

Das Zeichen unserer Zeit –
Die Angst vor zu viel Nähe.
Der Preis ist die Einsamkeit,
Das Urteil – beziehungsunfähig.

Was für ein schlechter Scherz!
Wer ist der Drahtzieher?
Auch ein enttäuschtes Herz
War mal eine Beziehung.

Weigert sich der Verstand
Des ausgepeitschten Pferdes
Von einer fremden Hand
Angebunden zu werden?

Liebe erzeugt kein Leid,
Senkt bewertende Blicke,
Sie ist immer bereit
Seelenlöcher zu flicken.

Liebe ohne Gewähr
Ist kein Grund sich zu grämen.
Ist es wirklich so schwer
Das Geschenk anzunehmen?

An die Mitmenschen

Ich habe euch so satt, die Bösen und die Frommen,
Entgegenkommend und voreingenommen,
Diejenigen, die meine Kraft verzehren
Und unentwegt bewerten und belehren,
Nach ihrem Ebenbild verändern wollen
Und überheblich ihre Augen rollen,
Mit ihrer Freundschaft strafen oder rühmen,
Die ihre Schuld mit meinen Taten sühnen.
Die Interessenlosen, die Entzückten,
Die primitiv und kompliziert Gestrickten,
Die Egozentriker, Narzissten und sogar
Mir allerliebsten aus der Menschenschar:
Naive Träumer, sprich: Idealisten
Und unverbesserliche Optimisten, –
Ich hab‘ euch satt. Ich bin der Menschen müde.
Verzeiht mir diese alte Plattitüde.

Auch von mir selbst bin ich enttäuscht, weil ich,
Rückfällig, schwach, rechthaberisch und hitzig,
Die Nachsicht und die Weisheit nicht besitze,
Sie so zu lieben, wie der Schöpfer mich.

Wer seid ihr schon!

Wer seid ihr schon, ihr scheinbar große Tiere,
Die unser Leben lenken und verwalten
Und glauben, dass sie Schicksale regieren,
Den lieben Gott an weichen Teilen halten,
Die Zukunft kennen, die Entwicklung planen;
Die insgeheim wahrscheinlich trotzdem ahnen,
Dass alles läuft gemäß dem Status free
Nicht nach der Weltverschwörungstheorie
Der machtbesessenen Auditoren.

Wir alle sind nur einzelne Vektoren
Der Fortentwicklungskraft, ob böse oder gut,
Die hoffentlich auch weiß, was sie da tut.

Emanzenklage

Ab vierzig sind wir, trotz der Geistesblitze
Und Eleganz, für Männer transparent!
Doch ich mit meinen stolzen fünfundsiebzig,
Ich meine Kilos, immer noch präsent.

Auch starke Männer haben ihre Schwächen
Und suchen mit ohne Alkohol
Bei mir Probleme klärende Gespräche
Und jammern mir damit die Ohren voll.

Im Gegensatz zu anderen Emanzen
Hab‘ ich noch keinen einzigen vermiest!
Ich bremse auch für Männer! Doch zum Tanzen
Wird aufgefordert dieses blonde Biest!

Von grauen Mäusen und bunten Vögeln

Eine Fabel

In einem Garten, sagen wir in meinem,
Hausierte eine brave graue Maus.
War pflichtbewusst, adrett, mit sich im Reinen,
Und lebte, so gesagt, in Saus und Braus.

Sie sammelte und wühlte wie besessen,
War immer satt, vielleicht zu satt sogar,
Hat meine Tulpenknollen angefressen,
So wurde nichts daraus im letzten Jahr.

Und irgendwann vernahm sie ein Gejodel,
Erzeugt durch einen unerwünschten Gast,
Und sah im Kirschbaum einen bunten Vogel,
Der Früchte aß und wippte auf dem Ast.

„Mach‘ keinen Lärm, du freche bunte Fratze“, –
Sprach sie zu ihm aus tiefster Angst und Not. –
„Sonst weckst du noch die faule weiße Katze,
Dann sind demnächst wir beide mausetot.

Mit deinem Rumgetöse und Geflatter
Blamierst du deine Sippe und dein Nest.
Was lehrten dich die Mutter und der Vater?
Nimmst du die deutschen Tugenden nicht ernst?

Das Leben ist kein Spaß, kein Kirschenessen,
Nur ein aus Pflicht und Arbeit schweres Joch.“ –
So sprach die Maus. Der Lage angemessen
Verschwand sie kurz danach im dunklen Loch.

Wer Katzen kennt, der weiß, wie ernst ich’s meine,
Denn Maus und Vogel sind inzwischen tot.
Doch flog und sang sein Leben lang der eine,
Die andere versteckte sich bedroht.

Ich hasse Moralisten aller Arten
Und selbsternannte Besserwisser mit,
Doch wenn das jemand hier von mir erwartet,
So kommt an dieser Stelle das Fazit:

Es ist erlaubt, im kleinen Maß zu mogeln.
So manche Opfer zahlen sich nicht aus.
Drum lieber ein verzückter bunter Vogel
Als eine müde pflichtbewusste Maus.

Trug und Sakramente

Es lebe Dummheit und Illusion,
Und jede friedliche Religion!
Denn, stellt euch vor, wenn jeder Schwachkopf wüsste,
Dass das Konzert der Dünen in der Wüste
Durchaus erklärbar ist als Konsequenz
Der Rutschgeräusche niedriger Frequenz;
Dass der purpurne Sonnenuntergang
Verschmutzte Luft ist oder der Gesang
Der Sommergrillen und der Vogelscharen
Bedeutet nur den simplen Ruf zum Paaren.

Wie einsam wären Menschen ohne Gott.
Beschäftigt mit dem lieben Alltagstrott,
Wir wären selbstverständlich sehr betrübt,
Weil uns, die Auserwählten, keiner liebt,
Und einige auch sauer, Zweifel ohne,
In Anbetracht der fehlenden Belohnung
Für den Verzicht auf die beliebten Sünden.

Wenn alle alles wüssten und verstünden,
So wäre rundherum so wenig los:
Die Dichter wären alle arbeitslos.
Es gäbe keine Wunder auf der Welt,
Wir hätten die Romantik abgestellt,
Die Sonnenuntergänge ignoriert,
Die Zwitschernden und Zirpenden kastriert,
Damit wir endlich in der Herrgottsfrühe
Behaglich schlafen könnten. Keine Mühe,
Kein Sterbenswort und keine Energie
Verschwenden würden wir für die Magie
Der einzig lebenswürdigen Momente:
Für Geist und Seele – Trug und Sakramente!

Eine Beobachtung

Woran erkennt man eine alte Frau?
Nicht weil sie weise wird und doppelt schlau,
Nicht am Gesicht, nicht an der Seelenruhe –
Man sieht es an den weichen Rieker Schuhen!
Der Gicht zuliebe und den großen Zehen
Lässt sie die schicken Pumps zu Hause stehen.

Woran erkennt man einen alten Mann?
Nicht weil er immer will, und selten kann,
Nicht an gefärbten Haaren und Perücke
Man sieht es an den unbeherrschten Blicken.
Sei noch so jung das Opfer der Begierde,
Der alte Klepper traut sich an die Hürde.

Über die Treue

Die Treue artet aus zu einer Bürde
Für Menschen mit Prinzipien und Scham.
Und wenn wir uns nicht selbst beschwindeln würden,
So wäre keiner wirklich monogam.

In Anbetracht der Christlichen Gesetze
Ist dieser Zustand sichtlich nonkonform,
Die Seitensprünge immer noch verletzend
In jedem Alter und in jeder Form.

Auch bei den abgebrühten Atheisten
Gilt dieser Trieb als menschlicher Defekt,
Obwohl als altbekannter Atavismus
Anthropologisch-logisch ganz korrekt.

O, bitte-bitte! – Keine falsche Schlüsse.
Ich schätze auch das traute Glück zu zweit
Im Rahmen der romantischen Kulisse,
Doch in der Praxis nach gewisser Zeit

Ersticken leidenschaftliche Ergüsse,
So sicher wie das pawlow’sche Reflex.
Es bleiben leider nur die Kompromisse
Und hin und wieder eingeübter Sex.

Glücklich nach Hirschhausen

Kontraste machen glücklich. Happy End
Hat einen Sinn, wenn erst mal Tränen fließen.
Und geht es uns bescheiden im Moment,
So sind wir umso glücklicher anschließend.

Nach dieser ausgefuchsten Theorie
Versuche ich mein Leben zu verändern.
Zum Test geeignet wären die Prärie,
Die beiden Pole und verarmte Länder.

Ich buche mir ein schäbiges Hotel
Und gönne mir vom Wohlstand eine Pause.
Begreife nach der Ankunft ziemlich schnell,
Wie glücklich werde ich demnächst zu Hause.

Die Hitze macht mich fertig. Vehement
Sind in der Wüste sandige Gewitter.
Wie schnell zu schätzen habe ich gelernt
Den deutschen Sommer und sogar den Winter.

Das mit dem All-included war ein Fake.
Ich würge Hirsebrei und Kefir runter.
Im Vorgeschmack auf ein gegrilltes Steak
Seit vierzehn Tagen knurrt mein Magen munter.

Ich ignoriere jeden coolen Mann
Und date einen spießigen Langweiler.
Und als ich eine Fliege machen kann,
Bin ich tatsächlich happy eine Weile.

Was jetzt passiert – ist schließlich einerlei,
Doch eines Tages wird mein Traum verwirklicht.
Und wenn der gut geplante Mist vorbei,
Bin ich, gemäß Hirschhausen, wunschlos glücklich!

Peinlich

Ich schreibe wieder peinliche Gedichte.
Mein bester Freund erläutert das Problem,
Indem er mir zwei Stunden lang berichtet,
Wie listig ist das limbische System.

Es produziert im Körper Opiate,
Benebelt das empfindliche Gehirn
Und schreibt dem halbbetäubten Kandidaten
„Verliebt-verblödet“ mitten auf die Stirn.

Die aktivierte rechte Hemisphäre
Mit Dopamin getränktem Intellekt
Erzeugt für die sich nähernde Affäre
Ein illusorisch-passendes Objekt.

Ihr lieben Botenstoffe und Thalamus,
Erspart mir diese Flausen und die Pein,
Geduldig wie ein Lehrling Dalai Lamas
In einen müden Kauz verliebt zu sein.

Mein Kumpel liegt mir ständig in den Ohren
Mit seiner Predigt, meint es aber nett:
„Der schräge Typ hat wirklich nichts verloren
In deinem Kortex und in deinem Bett.“