An die Wahrheit

Die Wahrheit ist ein schweres Los.
Sie treibt uns manchmal rigoros
Zum Wahn und in die Enge
Und ist nicht zu verdrängen.

Sie fühlt sich an zum Kotzen echt
Und wie ein Richter selbstgerecht.
Erwarte keine Gnade,
Wenn sie dich fängt und tadelt.

Sie zeigt sich nackt, sie lacht und sticht,
Erklärt den Star zum Bösewicht,
Verwandelt Macht und Ehre
In flüchtige Chimären.

Sie blickt auf Lügende herab
Und manchmal kommt sie mit ins Grab,
Fast wie ein Lebewesen,
Imstande zu verwesen.

Sind wir zu schwach – bringt sie uns um
Den Starken heilt sie wiederum.
Von launischer Mätresse
Lässt er sich nicht erpressen.

Sie öffnet locker das Ventil,
Mitunter ohne Scham und Stil,
Für angestaute Worte,
Auch von der harten Sorte.

Als Dame kommt sie oft zu spät
und achtet auf die Pietät,
Jedoch als Konkubine
Ist käuflich und leichtsinnig.

So wie ein unverschämter Gast
Zuweilen fällt sie uns zur Last
Und stielt wie eine Diebin,
Die Menschen, die wir lieben.

Und trotzdem hätten wir so gern
Aus dunklen Tiefen ihren Kern
Geholt ans Licht, nach oben
Und zahlen mit dem Glauben,

Riskieren Träume, Lebenslust,
Und ohne Rücksicht auf Verlust,
Unheilbar kranke Narren,
Wir lechzen nach der Klarheit.

Und sind, nachdem sie uns passiert,
Noch mehr verzweifelt und verwirrt.
Verdrängen sie blauäugig,
Verdrehen und verleugnen.

Verachten, gehen auf Distanz,
Die kognitive Dissonanz,
Eindeutigkeit der Lage
Nicht fähig zu ertragen.

Die Wahrheit gibt es noch in Fromm,
in Selig und in and’rer Form,
Für die, den es genüge
Von früh bis spät zu lügen.

Und dann noch die, die provoziert,
Narzisstisch ist, emanzipiert
Und künstlerisch-designet…
Und jeder hat die seine.

Und ich? Was bin ich im Bezug
Auf dieses Thema? Neunmalklug?
Gebranntes Kind? Doch langsam
Im Geiste frei und einsam?

Geplagt durch Zweifel, stur, naiv,
Manipuliert, doch relativ
Robust und meistens tauglich
Der Heuchlerin ins Auge
Zu sehen, möge sie auch sein
So kräftig, wie ein alter Wein,
Lasst uns die Gläser heben!
Denn Wahrheit ist das Leben!

16.08.2016