Die Gedanken einer Pianistin

Da sitzen sie, die Kenner und die Laien,
Bewerten, applaudieren und verzeihen
Mir kleine Fehler, falls sie welche merken,
Und wagen es, die genialen Werke
des großen Meisters und die Beichte dessen
An ihrem kläglichen Geschmack zu messen.

Wer seid ihr schon? Was wisst ihr von den Qualen
Der Schöpferkraft samt täglicher Rivalen,
Wie Zweifel und die Sehnsucht nach Entrücken,
Der Drang, in neuen Klängen auszudrücken
Das alte Streben nach Perfektion,
Die Wonne und das Leid. Wer seid ihr schon,

Ihr Kritiker und die allwissend Stolze?
Ward ihr mit seinem Tagestraum verschmolzen?
Habt ihr versucht die Seele auszurenken
Bis zu dem Schmerz in müden Handgelenken,
Am Trugbild hängend wie an einem Tropf?
In aller Ehrfurcht senke ich den Kopf,

Erlaube mir kein Urteil, nur Verständnis
Für Nacktheit der Gefühle, für Geständnis
Der menschlichen Verletzlichkeit, für Sieg
Und Scheitern und für das Gelingen
Der einzig wahren Liebe zur Musik,
Die nur für Eingeweihte sollte klingen.