In dubio pro reo*

(*Im Zweifelsfall für den Angeklagten)

Es gibt viele kluge Worte
Der intelligenten Sorte
Für logische klare Gedanken,
Verständnisvoll und zum Danken,
Für Verse, Humor und Nachsicht,
Für eine ernüchternde Nachricht,
Worte zum Prallen und Glänzen,
Um sich von der Welt abzugrenzen,
Vom Therapeuten empfohlen
Und leider auch dumme und hohle.
Auch für Wirrwarr der Gefühle

Gibt es bekanntlich viele
Und solche, die fliegen möchten
In dunklen schlaflosen Nächten,
Tagsüber nach draußen sprudeln,
Die lustigen Wörter wie „Strudel“
Oder so hart wie Steine…
Und dann gibt es noch meine,
Zuweilen so mühsam gesuchte

Mal kindische, mal verruchte,
Sooft ungewollt gefunden
Am Ort der offenen Wunde.
Dann spritzen aus der Aorta
Pulsierende heiße Worte
Ins Raster eines Gedichtes.

Ein kritischer kühler Richter
Verdreht sie und macht sie passend
Für sein pragmatisches Puzzle
Und spricht mit erhobenem Finger,
Als Weisheiten Überbringer,
Davon, wie wenig wir schätzen
Die gut überlegten Sätze.
Herr Richter, ich mach‘ mir Sorgen,
Dass eines besagten Morgens,
Das Chaos in uns überwindent,
Das Wort für Vertrauen verschwindet
Von deiner goldenen Waage
Und keiner mehr wird es wagen,
Zu fühlen und laut zu denken –
Wir könnten dich schließlich kränken,
Die unvollkommenen Narren,
Die in dem Irrtum verharren.
Wir zweifeln und, gratias Deo,
In dubio pro reo.

19.11.2016