Die kognitive Dissonanz

Ich war noch niemals in New York
(Michael Kunze)

Ich war noch niemals in New York
Sowie in vielen andren Orten.
Doch bin ich deshalb nicht besorgt –
Dafür war ich zehnmal in Dortmund.

Als Dichter kennt mich keine Sau,
Sind ausgeblieben die Tantiemen.
Vergeblich stellte ich zur Schau
Meine Geheimnisse intime.

Im Englisch bin ich nicht gewieft,
Trotz Mühe  – keine Polyglotte.
Das Russische in Wort und Schrift
Beindruckt keinen, leider Gottes.

Ein Leben reichte mir nicht aus,
Um alle Pläne auszuführen.
So wollte ich den alten „Faust“
Nochmal vernünftig durchstudieren,

Auch wenn es wirklich nicht so leicht,
Franz Kafka lesen, Wagner hören,
Nicht weil es Spaß macht, um vielleicht
Die Egozentriker zu ehren.

Und wenigstens nur einmal mich
In einen Musiker verlieben
(Zu schwache Hoffnung lediglich
Zu landen auf der Wolke sieben).

Dem kunterbunten Altendorf
Ade und Danke einmal sagen,
In einem kleinem Fischerdorf
Am Meer den neuen Anfang wagen,

Um dort am Schreibtisch tagelang
Mit Buch und Stift die Zeit vertreiben
Und leben ohne Stress und Zwang,
Und einen Psychokrimi schreiben.

Ein Traum! Der trägen Seele Dunst
Hat trotzdem seine Relevanzen.
Jean-Jacques Rousseau erklärte uns
Den Sinn der ungenutzten Schanzen:

Erfüllt, verlieren sie den Lack
Und machen uns nicht wirklich glücklich.
Was zählt – ist nur der Vorgeschmack,
Die Zeit, bevor wir sie verwirklicht.

Und deshalb gehe ich zu Work
Und mache Urlaub in dem Garten.
Und eine Reise nach New York
Muss wiederum ein Bisschen warten.

26.04.2017