Ein Malheur

Im Lande der vielen Schlösser,
Heines Werk auf der Spur,
Bin ich fest entschlossen,
Ein Scherflein zur deutschen Kultur
Unaufgefordert zu leisten,
Im Reimen ein bisschen geübt.
Man weiß, bei dem großen Meister
War Loreley sehr beliebt.
Auch ich bin ein deutscher Dichter,
Wenn auch aus Karaganda,
Und will von der Schönen berichten,
Doch leider ist sie nicht da!
„Du bist ja schließlich nicht Heine“, –
Spricht zu mir die Vernunft.
Trotzdem eine Gemeinheit
Gegenüber der Zunft!
Ich habe mir Urlaub genommen,
Die Flucht aus dem Alltag gewagt!
Jetzt stehe ich hier beklommen,
Vom Regen und Wind geplagt.
Was soll ich jetzt, bitteschön, dichten? –
Kein Weib, keine Leiche im Rhein.
Eine gescheite Geschichte
Fällt mir leider nicht ein.
Vorbei die romantischen Zeiten:
Kein Aufruhr, Kein Sturm und Drang,
Kein Ritter an meiner Seite
Und auch kein Minnesang.

Dann habe ich doch eingesehen:
Die Jungfrau gibt es nicht mehr,
dafür auf den Flüssen und Seen
Sicheren Schiffsverkehr.
Die Blonde könnte sich sparen
Die Show und das heikle Malheur,
Kämme sie ihre Haare
Daheim oder beim Friseur.
War es denn wirklich nötig
Lieder zu trällern am Rhein,
Deswegen fahrlässiger Tötung
Von allen beschuldigt zu sein?
Man hat schon für mildere Taten
Frauen zu Hexen erklärt.
Und soll ich euch `was verraten? –
Ich finde es auch unerhört!
Weiß auch nicht, warum und worüber
Ich eigentlich traurig bin?
Vielleicht verfasse ich lieber
Ein Loblied auf Balduin*.

* Erzbischof und Kurfürst, Mittel-Rhein, 14. Jahrhundert