Das Glück

Unlängst war ich am Überlegen:
Wie konnte ich mein Glück verlegen?
Es war doch immer greifbar nah,
Egal was ringsherum geschah.
Und als ich damals fast ertrunken,
Hat es mir freundlich zugewunken,
Doch retten musste ich mich selbst,
Ob es mir passt oder gefällt.

Im Urlaub oder im Konzert,
Schon im Voraus von mir begehrt,
Erschien es, flüchtig, unvollkommen,
Und ist mir jedes Mal entkommen –
Bevor ich es am Schopf gepackt,
Doch mit dem Teufel einen Pakt,
Dank Goethe, wollte ich nicht schließen –
Hat keinen Sinn, wie alle wissen.

Und trotzdem, hab‘ ich es gesucht,
Geplagt von Ungeduld und Sucht
Nach neuen Menschen oder Orten,
Nach Lob- und Anerkennungsworten,
Erahnte es im Liebesschwur
Und in der Stille der Natur.
Das Holde blieb mir unzugänglich,
Zu illusorisch, zu vergänglich.

Es zeigte manchmal sein Gesicht
In dem gelungenen Gedicht,
In der Musik vertrauten Klängen,
Sogar im menschlichen Gedränge!
Verschwand dann doch zu meinem Pech
Im oberflächlichen Gespräch.

Mein Glück, ich fühle mich betrogen:
Ein kranker Junkie ohne Droge,
Seit Jahren bin ich auf Entzug!
Es war von dir kein feiner Zug,
Im Dunkeln tappen mich zu lassen
Und meine Nerven zu verprassen,
Wobei, gepaart mit Lebensgier,
Warst du die ganze Zeit in mir!

Die Weisheit wurde mir bewusster
Als ich den Schlüssel suchen musste,
Deshalb ein Treffen abbestellt,
Die Wohnung auf den Kopf gestellt
Und dann, zu meiner Überraschung,
In meiner vollgestopften Tasche
Da fand ich ihn, den Heißbegehrten,
Als ich den ganzen Kramm entfernte,
Obwohl, ich bin doch nicht verrückt! –
Drei Mal in diese reingeguckt!

So ist es auch bei Unsereinem
Mit Glücksgefühlen jeder Art.
Wer hektisch ist, der findet keine
Und kriegt ein fades Surrogat.

Das Glück

Aus hundertfünfzig Millionen Zellen
Hat die Natur die meine auserwählt.
Daraus entstand ein Mädchen namens Nelli
Was ohnehin schon zu den Wundern zählt.

Doch statt dem lieben Gott dafür zu danken,
Befragte ich den Schöpfer nach dem Sinn:
Wozu, weshalb, warum nicht etwas schlanker
und glücklicher ich seiner Meinung bin.

Der liebe Gott ist meistens sehr beschäftigt
Und zeigt sich einem armen Sünder kaum.
Darum erschrak ich neulich nachts so heftig,
Als er erschien und sprach in meinem Traum:

„Du manisch-depressive Schlaftablette,
Vergeudung meiner Kräfte und Elans!
Mal trostlos wie das regnerische Wetter,
Mal hibbelig wie eine dürre Wanz.

Ich habe dir das Nötigste gegeben:
Talent, Gefühle, Körper und Verstand.
Allein deswegen lohnt es sich zu leben,
Substanziell und tätig allerhand.

Es war nicht einfach dich zu animieren,
Zum Verse schreiben, zum Roman schon recht.
Ich musste dir die Sätze fast diktieren!
Ok, so manche waren wirklich schlecht.

Ein schönes Los, wenn wir beim Thema bleiben,
Gereimtes Zeug zu zaubern aus dem Hut.
Allein deswegen lohnt es sich zu schreiben.
Ok, so manche waren wirklich gut.

Wahrscheinlich hab‘ ich etwas übertrieben
Mit den Hormonen, sprich Temperament.
Sich permanent in Falsche zu verlieben,
War wohl ein überflüssiges Talent.

Daher Enttäuschung und Desinteresse
Bezüglich Ehe. Doch der ganze Frust
Hat sich denn noch gelohnt und war vergessen
Mit einem hübschen Baby an der Brust.

Nicht meine Schuld, dass du bevorzugst süße
Und fette Speisen, Schlankheit a apropos.
Du bist bestückt mit Händen und mit Füßen,
Mit klugem Kopf und einem runden Po.

Was du damit im Laufe der Jahrzehnte
Erreichen könntest seit dem Abitur!
Obwohl, als Model für die Wackelenten
Hast du die angemessene Figur.

Das Glück, du Schaf, ist überall verborgen:
Als Gänsehaut in einem schönen Song,
Im langen Schlaf an einem Sonntagmorgen
Und im Gewühl der Straßen von Hongkong.

Die Liste lohnt sich gar nicht fortzusetzen –
Finita la comedia, mein Kind.
Wer seine Einzigartigkeit nicht schätzte,
Hat eine nächste Folge nicht verdient.“

An dieser Stelle, blas und schweißgebadet,
Dank Gott und Wecker, wurd‘ ich plötzlich wach
Und dachte mit Verspätung: „Wirklich schade,
Dass ich so selten mit dem Alten sprach.“