So wohne ich

Ich hänge nicht an Gegenständen,
War nie für Spießigkeit bekannt,
Doch diese vier geliebten Wände,
Mein Paradies am Straßenrand,

Wo Jung und Alt, wo Hund und Katze
So leben kann, wie ihm begehrt,
Ist mir wohl doch ans Herz gewachsen
Und war der ganzen Mühe wert.

Hier wohnt mein Sofa – mein Komplize –
Uns beiden steht die Farbe Rot –
Versteht er mich zu unterstützen
In guten Zeiten und in Not.

Mein Wertester, bezahlt in Raten,
Mit bunten Kissen schön verziert.
Er würde niemandem verraten,
Was hier gelegentlich passiert.

Direkt daneben – Panasonic –
Zur Außenwelt die schmale Tür.
Sehr unterhaltsam, Zweifel ohne,
Doch leider tanzt er nicht mit mir.

Gleich um die Ecke – mein Verführer,
Im Haus – der einzige Tyrann:
Ein Kühlschrank Kaste Unberührbar –
Ab 19 Uhr darf ich nicht ran!

Die Palme wie ein Irokese,
Sechs Stühle mit dem Drachen drauf.
Ein alter trauriger Chinese
Hat sie geboten zum Verkauf.

Gezähmte wilde Orchidee,
So selbstverliebt und unverschämt,
Verkörpert bildlich die Idee:
Es lebt sich wohliger gezähmt.

Der holden Königin Geschwister,
Gemalt in Technik Aquarell,
Sich hier für immer eingenistet,
Gestalten Räume farbig-hell.

In jedem Zimmer hängen Spiegel.
Die eitlen Biester sind gemein.
Ich werde sie demnächst verriegeln –
So viel Kritik verträgt kein Schwein!

Der stolze Inhalt eines Bildes,
Ein Löwe schützt mein Schlafrevier.
So hab‘ ich immer etwas Wildes
Wenn nicht im Bett, dann über mir.

Noch mehr Details – muss keiner wissen,
Das Thema wechseln wir diskret.
(Denn niemand sollte hier vermissen
Den Anstand sowie Etikett.)

Dann gibt es noch die vielen Bücher –
Den sehr persönlichen Bereich.
Bin in Gesellschaft toter Dichter
Und fühle mich an Freunden reich.

Die lebenden sind auch willkommen.
Der Garten lockt uns an die Luft.
Und macht gesellig und benommen
Mit kalten Drinks und Rosenduft.

Ich weiß, mein Leben ist kein Märchen,
Mein Haus kein Schloss und dann und wann
Pellt ab und krächzt das alte Möhrchen.
Ich pflege es, so gut ich kann.

Und würde es bestimmt nicht tauschen,
Wer immer Ansprüche erhebt.
Den kalten Glanz bereits erlebt,
Las‘ ich mich nochmal nicht berauschen.

Die Unabhängigkeit (eine kurze Fabel)

Die Unabhängigkeit war sichtbar überrascht,
Als sie sich sah, Entschuldigung, im A…
Und suchte ganz verzweifelt irgendwen
Mit altruistischen Prinzipien.
Gelingt es ihr, denjenigen zu finden
In diesem dunklen Ort der bösen Winde?
Ich weiß es nicht. Ich bin kein Proktologe.
Doch scheint mir die Begegnung ziemlich logisch.

10.02.2017

Das Wesen der Liebe (1)

Was ist die Liebe? – streiten die Gemüter:
Ein starkes uns berauschendes Getränk?
Des Geistes Wahn oder des Herzens Güte?
Ein Ausfall? Eine Krankheit? Ein Geschenk?

Ich aber weiß – sie ist ein Lebewesen,
Ein Parasit, der immer größer wird.
Das klingt verrückt, doch bin ich auch gewesen
Des dreisten Gastes hilfsbereiter Wirt.

Der freche Zwerg, der sich zu helfen wusste
Und meine Schwächen kannte ziemlich gut,
Benötigte zum Leben mein Bewusstsein
Und saugte mir Hormone aus dem Blut.

Er wuchs sehr schnell und testete die Grenzen,
Tyrannisierte mich von früh bis spät
Und ohne Rücksicht auf die Konsequenzen
Bescherte mir die zweite Pubertät.

Die Welt war plötzlich rosig und verschwommen.
Hallo Verlangen und Ade Verstand!
Ich habe fünfzehn Kilo abgenommen,
Was, zugegeben, mir großartig stand.

Es ging so weit, dass dieser kleine Bastard
Das Recht auf meine Freiheiten erwarb.
So fühlte ich mich demgemäß entlastet
Als mein Bewohner eines Tages starb.

Die Liebe ist für mich ein Lebewesen.
Sie kommt und bleibt und stirbt wie es ihr passt.
Was allerdings nicht widerspricht der These:
So wie der Wirt, so sein erhoffter Gast.

06.02.2017

Ein guter Vorsatz

Wie egozentrisch sind doch manche Dichter!
Mit „manche“ mein‘ ich selbstverständlich mich.
Sogar wenn ich für dich Sonette dichte,
dann in Bezug auf mein verliebtes Ich.

So viele Wörter, die auf Ich sich reimen,
In deutscher Sprache gibt es leider nicht.
Es auszulöschen, so gesagt, im Keime,
Würde sich lohnen schon für das Gedicht.

Daher will ich (O Himmel! Nicht schon wieder!)
Großzügig, selbstlos und bescheiden sein.
Die Welt wird es bemerken und erwidern –
Sie dreht sich schließlich nur um mich allein!

27.01.2017

Psychotherapie

Gereimte Zeilen haben mehr Gewicht –
Das ist mir irgendwann mal aufgefallen.
Jetzt packe ich mein Grübeln ins Gedicht
Und tu‘ damit uns allen ein Gefallen.

Kein Feind wird mehr belästigt und kein Freund
Mit Themen, die nur mich interessieren,
Unnötig ist ein Psychotherapeut
Und stundenlanges stummes Meditieren.

So manche Sprüche bohren sich ins Ohr.
Ich forme sie zu frechen Epigrammen
Und komme mir so klug und weise vor
Wie Demokrit und Cicero zusammen.

Ob beim Spaziergang oder auf der Flucht
Vor ödem Alltag, Jambus und Choreus
Begleiten die von mir geliebte Sucht
Im Rhythmus meines flatterigen Egos.

Verliebt-verblödet und vor Sehnsucht krank,
Verfasse ich sentimentale Verse,
Verstecke sie, was meistens, Gott sei Dank,
Verhindert Missverständnisse diverse.

Zusammenbrüche, Zweifel und Burnout
Vermeiden lassen sich, ganz gut zuweilen,
Durch die Geburt gelungener Vierzeiler
(Für mich so wichtig wie das täglich Brot).

Es wirkt durchaus, das dichterische Gen,
wie eine Kur bei seelischen Problemen.
Was für ein kurioses Phänomen,
Dass Krankenkassen sie nicht übernehmen!

26.01.2017

Empörung

Wie ist es möglich länger auszuhalten?!
Den Schock über die ersten tiefen Falten,
Die grauen Haare, die wie Pilze sprießen,
Über die neuen Handys nichts zu wissen,
Den hormonellen Umschwung und die Pein,
Als Frau nicht mehr begehrenswert zu sein.

Wie soll man diese Tatsachen ertragen?!
So unspektakulär vergehen Tage
Und, ganz zu schweigen, schlaflos lange Nächte,
Auf neue Liebe ausgemerzte Rechte
Und andere uns auferlegten Hürden.
Es gibt nur eine Möglichkeit – mit Würde!

17.01.2017

Die Primzahlen-Romanze (Fabel)

Die schlanke Elf, verliebt und reizend,
Sprach ungekünstelt zu der Dreizehn:
„Uns Zahlen gibt es eine Schar,
Doch wenige als Zwillingspaar.
Wir beide sind so einzigartig,
So einsam. Und wozu noch warten
Auf Stelldichein mit irgendwem
In einem schlauen Theorem.“

Die müde Dreizehn seufzte leise
(Sie hielt sich für besonders weise):
„Die Zweisamkeit ist gar nicht cool.
Ich bin ja schließlich keine Null,
Die sich an alle Zahlen klammert,
Sonst ist sie nichts. Was für ein Jammer!
Doch eine Primzahl wiederum
Ist selbst ein Individuum.“

„Das bin ich auch!“ – versprach das Elfchen.
„Dir fehlt ein Wert – ich habe welchen.
Zusammen bilden wir zumal
Die Vierundzwanzig – ein Zahl
Mit weiteren Bewusstsein Grenzen
Und sozialen Kompetenzen,
Ein Team, durch drei und acht geteilt,
Wenn nicht, dann bleiben wir zu zweit.
Was für ein Traum, normal zu sein!
Und niemals, niemals mehr allen!“

Die Dreizehn: „Elf, was willst du hören?
Ich kann dich leider nicht begehren.
Vom abergläubisch-dummen Volk
Als Buhmann wurde ich verfolgt.
Erspar‘ mir die Gefühlsergüsse –
Ich bin für diese Welt verschlüsselt
Und unersetzlich irgendwie
Auf dem Gebiet Kryptographie.
Verzeih‘ mir meine raue Seite,
Ich bleibe stets ein Außenseiter,
Mit Drei plus Zehn bereits zu zweit –
Gespaltene Persönlichkeit.“

Verletzt in ihrem Selbstbewusstsein
Verstummte Elf. Was sie nicht wusste,
Dass manche Träume sind nur schön,
Wenn sie nicht in Erfüllung geh’n;
Dass viele krumm gestrickte Zahlen,
Ob Primchen oder die „Normalen“,
Sind nur verschlossen angenehm
In ihrem eigenen System.

15.01.2017

Die ausgleichende Gerechtigkeit

Auch schöne Frauen werden einmal alt.
Da hilft auch nicht die Körbchengröße „D“.
Die Zeit ist eine höhere Gewalt
Und gnadenloser als NKWD.

Aus jedem Yang wird irgendwann ein Yin –
Das Universum strebt nach Gleichgewicht.
Nicht, dass ich schadenfroh und neidisch bin
Und ein zu schlichtes Wesen aus mir spricht…

Das Leben selbst, in diesem Fall gerecht,
Erteilt den Eitlen eine Lektion:
So ist es zu verlieren im Gefecht
Kosmetik gegen Gravitation.

12.01.2017

An meinen Mus

In Memoiren habe ich gelesen,
Dass jeder Dichter, wenn er etwas taugt,
Braucht eine Muse – ein begehrtes Wesen.
Was heute allerdings ein bisschen out.

Als eine Frau und offenbar nicht lesbisch
Ich wünsch‘ mir auch ein passendes Objekt
Für meine Verse, lyrisch oder episch,
Und finde dich. Nun, keiner ist perfekt.

Ich gebe zu – ist nicht besonders witzig
Und seitens Schicksal spöttisch und gemein,
Von einer Muse, männlich, Mitte fünfzig,
Mit Bauch und Glatze, inspiriert zu sein,

Und hoffe doch auf das ersehnte Funkeln
Und nenne dich Geschlechtes wegen Mus.
Nach drei Tequilas bist du schön… im Dunkeln.
Nur deine Füße machen mich konfus.

Sie ragen aus der kurzen Federdecke
Und weisen Zeichen der akuten Gicht.
Ich gehe zu dem Schreibtisch in der Ecke
Und reime dieses traurige Gedicht:

„Wie alles in der Welt sind wir vergänglich.
Die Musen altern, die Poeten auch.
Mein Streben nach dem Glück ist unzulänglich
Und im Vergleich zur Ewigkeit ein Hauch.“

Gefällt mir gut. So weise und symbolisch.
Mein lieber Mus, du hast den Zweck erfüllt.
Ich fühle mich so herrlich-melancholisch
In dein uraltes Schnarchen eingehüllt.

29.12.2016

Ein Versuch philosophisch

Der Weg ist das Ziel und einzig darin,
Glaubt man Camus oder Sartre,
Um unterwegs abzustreiten den Sinn
Dieses absurden Theaters.

Der Mensch ist gelangweilt, verängstigt und klein.
In diese Welt reingeboren,
Erlebt er zuerst sein entfremdetes Sein
Im Geiste beträchtlich verworren.

Zur Freiheit verurteilt und trotzdem nicht frei,
Mit einem Verstand als Trichter,
Erschließt er den Sinn seiner Quälerei
In Überwindung der Ichtheit.

Was ist eine Ichtheit – finde ich nicht
Im schlauen allwissenden Duden,
Als ich auf der Suche nach Weisheit erpicht
Durchblättere die Talmuden.

Ach hätte ich besser im Kurs aufgepasst
Im vierten Semester der Uni,
Statt Grenzen zu testen den Noten zur Last –
Mein Sohn kam zur Welt im Juni.

Der alte Professor der Philosophie
Ein bisschen verrückt und grantig,
Ersparte mir damals die Welt der Sophie,
bevölkert mit Geistesgiganten.

Ich habe bestanden. Dank Plato genannt
Das schwangere Kugelwesen.
Verzeiht mir, Sokrates und Hegel und Kant,
Ich hab‘ euch zumindest gelesen!

07.12.2016