Peinlich

Ich schreibe wieder peinliche Gedichte.
Mein bester Freund erläutert das Problem,
Indem er mir zwei Stunden lang berichtet,
Wie listig ist das limbische System.

Es produziert im Körper Opiate,
Benebelt das empfindliche Gehirn
Und schreibt dem halbbetäubten Kandidaten
„Verliebt-verblödet“ mitten auf die Stirn.

Die aktivierte rechte Hemisphäre
Mit Dopamin getränktem Intellekt
Erzeugt für die sich nähernde Affäre
Ein illusorisch-passendes Objekt.

Ihr lieben Botenstoffe und Thalamus,
Erspart mir diese Flausen und die Pein,
Geduldig wie ein Lehrling Dalai Lamas
In einen müden Kauz verliebt zu sein.

Mein Kumpel liegt mir ständig in den Ohren
Mit seiner Predigt, meint es aber nett:
„Der schräge Typ hat wirklich nichts verloren
In deinem Kortex und in deinem Bett.“

Ein neues Kleid

Das Kleid abzulegen ist nur ein halber Akt
Des freien Willens, gerühmt von dem Weisen Erasmus.
Ohne ein Neues fühlt sich die Seele nackt,
Erfüllte Wünsche – wie ein schwacher Orgasmus.

Die lähmenden Zweifel stehlen die kostbare Zeit,
In Gottes Händen stöhnt der geknechtete Wille.
Das Leben liefert den Stoff für ein neues Kleid,
Das Marihuana erweitert nur die Pupillen.

Mit der Erkenntnis: Alles ist relativ,
Jedem die seinige gut angepasste Wahrheit, –
Seh` ich die Welt durch das schwankende Objektiv
Und hoffe, verbohrt und naiv, auf Gedankenklarheit.

Auf dem alten Kanapee

Ich stehe im Oktober meines Lebens.
Ich liebe diese müde Jahreszeit.
Die Sommerträume waren nicht vergebens,
Vergnüglich trug ich mein geblümtes Kleid.
Jetzt brauche ich ein kuscheliges neues,
Verwachsen mit dem alten Kanapee,
Ich warte ohne Bitterkeit und Reue
Auf kalte Wintertage und den Schnee.

Maslow’sche Pyramide

In jedem Menschen steckt ein Paradies
und eine Hölle.
Zum Vorschein kommt mal jenes oder dies,
je nach der Rolle.
Mal sind wir geistig-fein und kreativ
und damit glücklich,
Doch lebt sich leichter affen-primitiv
und augenblicklich.
Herr Maslow hat das leider nicht erwähnt:
Der Geist macht müde.
So mancher hat`s erkannt und abgelehnt
Die Pyramide
Und blieb getrost im unteren Bereich
Seiner Gelüste,
Je dümmer, desto cooler und sogleich
auch selbstbewusster!

Das Wesen des Glückes

Lieber völlig unwissend
Als in dem falschen Wissen
Suchen, zweifeln und bangen.
Lieber Schmerz aus Verlangen
Als die nüchterne Leere.
Lieben, träumen, begehren,
Selbst- und harmlos, und ohne
Forderung auf Belohnung, –
Ist die einzige Fülle.
Geht ein Wunsch in Erfüllung,
Werden Schlösser zu Erde
Und die Liebenden werden
In der Wirklichkeitsmühle
Zu der Einsicht genötigt,
Ihren Traum zu ersticken.

Liegt das Wesen des Glückes
In der Ferne der Ziele?

Satellit

Mein Kopf – die Erde, du – ihr Satellit.
Du malst um ihn elliptisch-weite Kreise.
Ich will hier raus. Doch leider nimmt man mit
Den sturen Grübler überall auf Reisen.

Betäubung hilft nicht. Ist zu mild der Wein –
Der letzten Hoffnung unverbrauchter Nachlass.
Den guten Tropfen trinkt man nicht allein.
Er war gedacht für einen schönen Anlass.

Ich bitte dich, verlasse den Orbit
Auf deinem Weg ins kalte Universum.
Ich will hier raus. Ich nehme dich nicht mit
In meine Welt der traurig-warmen Verse.

Рождественское

Жду наступления утра
В угарном дыме сигареты
И избегаю тем запретных,
Готовых соскочить с пера.
Гипнотизирую свечу,
Встречаю рождество Христово
Смиренным, покаянным словом,
Кривую линию черчу
Меж новым и прошедшим стоном
И, покорясь мирским законам,
Опять любить и жить хочу.

Das Tier

Irgendetwas in mir
Dürstet gelebt werden.
Dieses störrische Tier
Meiner Gefühle Herde
Will aus dem Käfig raus,
War eingesperrt zu lange,
Beißt sich die Zähne aus
An den eisernen Stangen,
Raus aus seinem Versteck,
Sind wie lästige Leinen
Fragen nach Sinn und Zweck –
Antworten gibt es keine.
Hat ihm wohl nicht gereicht,
Alte Wunden zu lecken.
War es töricht vielleicht,
Dieses Tier aufzuwecken?

Der Vagabund

Von Ort zu Ort getrieben aus den Zwängen
In die begehrte Ruhe der Natur,
Gelingt es mir zeitweilig zu verdrängen
Das Ticken meiner innerlichen Uhr.

Von Herz zu Herz und jedoch eine Waise.
Erloschen ist das Feuer im Kamin.
Ein Vagabund ist nirgendswo zu Hause
Und keiner wartet sehnsüchtig auf ihn.

Beneidenswert der Glaube der Buddhisten.
Fern jedem Irrlicht- wie auch Todesbann
Man wandert in der Zeit wie in der Wüste
Von Los zu Los… Es wird schon… Irgendwann.

Das Glück

Aus hundertfünfzig Millionen Zellen
Hat die Natur die meine auserwählt.
Daraus entstand ein Mädchen namens Nelli
Was ohnehin schon zu den Wundern zählt.

Doch statt dem lieben Gott dafür zu danken,
Befragte ich den Schöpfer nach dem Sinn:
Wozu, weshalb, warum nicht etwas schlanker
und glücklicher ich seiner Meinung bin.

Der liebe Gott ist meistens sehr beschäftigt
Und zeigt sich einem armen Sünder kaum.
Darum erschrak ich neulich nachts so heftig,
Als er erschien und sprach in meinem Traum:

„Du manisch-depressive Schlaftablette,
Vergeudung meiner Kräfte und Elans!
Mal trostlos wie das regnerische Wetter,
Mal hibbelig wie eine dürre Wanz.

Ich habe dir das Nötigste gegeben:
Talent, Gefühle, Körper und Verstand.
Allein deswegen lohnt es sich zu leben,
Substanziell und tätig allerhand.

Es war nicht einfach dich zu animieren,
Zum Verse schreiben, zum Roman schon recht.
Ich musste dir die Sätze fast diktieren!
Ok, so manche waren wirklich schlecht.

Ein schönes Los, wenn wir beim Thema bleiben,
Gereimtes Zeug zu zaubern aus dem Hut.
Allein deswegen lohnt es sich zu schreiben.
Ok, so manche waren wirklich gut.

Wahrscheinlich hab‘ ich etwas übertrieben
Mit den Hormonen, sprich Temperament.
Sich permanent in Falsche zu verlieben,
War wohl ein überflüssiges Talent.

Daher Enttäuschung und Desinteresse
Bezüglich Ehe. Doch der ganze Frust
Hat sich denn noch gelohnt und war vergessen
Mit einem hübschen Baby an der Brust.

Nicht meine Schuld, dass du bevorzugst süße
Und fette Speisen, Schlankheit a apropos.
Du bist bestückt mit Händen und mit Füßen,
Mit klugem Kopf und einem runden Po.

Was du damit im Laufe der Jahrzehnte
Erreichen könntest seit dem Abitur!
Obwohl, als Model für die Wackelenten
Hast du die angemessene Figur.

Das Glück, du Schaf, ist überall verborgen:
Als Gänsehaut in einem schönen Song,
Im langen Schlaf an einem Sonntagmorgen
Und im Gewühl der Straßen von Hongkong.

Die Liste lohnt sich gar nicht fortzusetzen –
Finita la comedia, mein Kind.
Wer seine Einzigartigkeit nicht schätzte,
Hat eine nächste Folge nicht verdient.“

An dieser Stelle, blas und schweißgebadet,
Dank Gott und Wecker, wurd‘ ich plötzlich wach
Und dachte mit Verspätung: „Wirklich schade,
Dass ich so selten mit dem Alten sprach.“