Die Seelenblindheit

Die Seelenblindheit – meines Geistes Wahn
Nur das zu sehen, was mich nicht verwundet.
Ich hätte dieses schlaue Wort erfunden,
Wenn das schon jemand anders nicht getan.

Über mich selbst am lautesten gelacht,
Aus meinen Fehlern eine Lehre formend,
Entgegen der gesellschaftlichen Normen,
Ich überließ den Träumen ihre Macht

Und lebte wissbegierig, ohne Angst
In meiner Welt, so herrlich-unvollkommen.
Und dann kamst du und hast mir das genommen,
Was du nicht brauchst, belächelst und nicht magst.

Die Zeiten der Gedichte sind vorbei.
Es folgen Seiten der gemeinen Prosa.
Das neue Jahr versetzt mich in Narkose
Mit der erprobten Alltagsarznei.

11.12.2016

Ré­su­mé

Du bleibst eine flüchtige Szene,
Mein ungestilltes Verlangen.
Ich kaufe mir künstliche Tränen,
Die echten sind ausgegangen.

Schon bald wirst du mir nicht fehlen.
Die Freiheit – zurück erworben.
Es gibt keine künstliche Seele
Und meine heut‘ Nacht gestorben.

Ein Versuch philosophisch

Der Weg ist das Ziel und einzig darin,
Glaubt man Camus oder Sartre,
Um unterwegs abzustreiten den Sinn
Dieses absurden Theaters.

Der Mensch ist gelangweilt, verängstigt und klein.
In diese Welt reingeboren,
Erlebt er zuerst sein entfremdetes Sein
Im Geiste beträchtlich verworren.

Zur Freiheit verurteilt und trotzdem nicht frei,
Mit einem Verstand als Trichter,
Erschließt er den Sinn seiner Quälerei
In Überwindung der Ichtheit.

Was ist eine Ichtheit – finde ich nicht
Im schlauen allwissenden Duden,
Als ich auf der Suche nach Weisheit erpicht
Durchblättere die Talmuden.

Ach hätte ich besser im Kurs aufgepasst
Im vierten Semester der Uni,
Statt Grenzen zu testen den Noten zur Last –
Mein Sohn kam zur Welt im Juni.

Der alte Professor der Philosophie
Ein bisschen verrückt und grantig,
Ersparte mir damals die Welt der Sophie,
bevölkert mit Geistesgiganten.

Ich habe bestanden. Dank Plato genannt
Das schwangere Kugelwesen.
Verzeiht mir, Sokrates und Hegel und Kant,
Ich hab‘ euch zumindest gelesen!

07.12.2016

Im Konzert

An einem Ort wie dieser schweigt das Wort.
Hier ist Musik die throngeweihte Zarin.
Idealistisch in das Ziel verbohrt,
Das Gute in dem Menschen zu bewahren,

Ihn aufzuwecken, wenn sein Herz verstockt,
Den schlaffen Geist mit Klängen zu berühren,
Durch ihre treue Diener angelockt,
In eine Welt der Künste zu verführen.

An einem Ort wie dieser glaube ich,
Gewollt naiv, verzeihend und vergesslich:
Es gibt kein Leid und keinen Bösewicht,
Mit Absichten gewissenlos und hässlich.

Hier liebe ich die Menschen nur dafür,
dass sie sich in die Höhe treiben lassen
Und klopfen schüchtern an der Himmelstür,
das Göttliche imstande zu erfassen.

02.12.2016

Des fahrigen Geistes entfesselte Moleküle

Die Ich-bezogenen Menschen sind meistens einsam,
Daher permanent auf der Suche nach neuen Gefühlen
Und auf der Flucht aus dem öden Gewohnheitsgewahrsam,
Des fahrigen Geistes entfesselte Moleküle.

Die Ich-bezogenen Menschen – moderne Sklaven
Des quälenden Dranges nach Freiheit und nach Abwechslung.
Sie mögen die Zwischentöne einer Oktave,
Die einfachen Töne sind leider für sie ein Rätsel.

Die Ich-bezogenen Menschen wollen nicht altern.
Wie sollte die Welt ohne sie irgendwann existieren?!
Es wäre tatsächlich konfus und verschwenderisch-albern,
Den wahren Gourmands zu verweigern sie zu konsumieren.

Mit ihrem Gewissen sind sie immer im Reinen
Und haben für alles vernünftige Gründe im Ärmel.
Ich weiß es. Bin schließlich ja selber einer,
An ungekünstelten Freunden allmählich ärmer.

 28.11.2016

Угроза

Обмен бактериальной флорой
Полезен для иммунитета.
Об этом проглаголил форум
В одном портале интернета.

Целуй меня, мой долгожданный,
Послушный раб своих инстинктов.
Я быть хочу твоей желанной,
А не мадонною Сикстинской.

Я не хочу быть интересной,
Мне надоели разговоры,
Не лучше ль радостью телесной
Потратить несколько каллорий.

И если ты не перестанешь
Томить меня на эту тему,
Я укреплять с другими стану
Свою имунную систему.

24.11.2016

Desillusion

Die Schicksalswege sind nicht uns’re Wege –
In meinem Fall anschaulich ausgeübt:
Ich hab‘ ein Jahr gebraucht, um dich zu mögen;
In Viertelstunde hast du mich entliebt.
Ganz ohne Nebenwirkungen. Phantastisch!
Du hast Talent als Laien-Therapeut.
Bin wieder witzig, praktisch und sarkastisch
Und habe auch kein einzig‘ Mal bereut,
Was ich gefühlt, gedacht, gesagt, gedichtet –
Die Utopie erfüllte ihren Zweck.
Es war nicht echt, und trotzdem war es richtig,
Aus einer langen Lethargie geweckt,
Ein neues Ziel ins Augenlicht zu fassen
Und frei zu sein, auch wenn es machbar kaum.
Ich könnte eine Studie verfassen:
„Wie nutze ich pragmatisch meinen Traum“.
Ich danke dir für diese Viertelstunde!
Und schlage vor, in einer Fusion
Mit mir zusammen ein‘ Verein zu gründen
Mit einem Schwerpunkt Desillusion.

22.11.2016

 

Eine bittere Erkenntnis

Wir denken mit fremden Gedanken.
Auch dieser – ohne Gewähr!
Dem Unterbewusstsein verdanken
Wir unsere Ziele und mehr.

In vielen Bereichen Laien,
Und leider Gottes nur
Die sprechenden Papageien,
Wir hängen an einer Schnur,
Wie geistige Marionetten,
Und nuckeln an bitterer Frucht
Der fremden Erkenntnis. Ach, hätte
Ich diesen Kurs nicht besucht!

Dann wüste ich nicht: Wir alle,
Gebildet, out oder in,
Sind lustige Neandertaler
Mit einem Reptil-Gehirn.

Geködert durch eigene Sinne,
Sklaven von Kopf und Bauch,
Manipulierbar von innen,
Von außen natürlich auch.

Ich dachte (o nein, jemand anders
Hat es für mich gedacht!),
Man hätte doch einen Anlass
Zu denken: Das Wissen – ist Macht!

Der Wille ist heilig. Das Ego
Das wichtigste überhaupt.
Und nun dieses Kurses wegen
Bin ich meines Glaubens beraubt!

Ich brauch‘ einen Schokoriegel,
Ich fühl‘ mich im Bauch so flau
Und sehe in meinen Spiegel:
Wer ist diese fremde Frau?!

22.11.2016

Metamorphosen

Ich habe es schon wieder nicht geschafft
Und werde meinen Leichtsinn sicher büßen.
Metamorphosen zeigen ihre Kraft,
Der alte Apuleius lässt mich grüßen.

Der kleine Hund studierte seine Tricks,
Fiel auf den Rücken, brav und unterwürfig,
Bekam für seinen Zirkus einen Mix
Aus Lust und Spiel, nach Billigung bedürftig.

Und während dessen, tief in einer Gruft,
Das Katzenwesen mit den grünen Augen
War auf dem Sprung und schnupperte die Luft –
Sie roch nach Zukunft und nach Freiheitsdroge.

Der Wandel war bereits vorprogrammiert:
Der Wirt unfähig auf Befehl zu lieben.
Der Hund nun weg, die Katze ist geblieben
Genau sowie die Sehnsucht bleiben wird.

Ein trauriges und altbekanntes Lied
Von meiner Neigung zu den beiden Tieren.
Ich danke trotzdem meinem Schicksals Schmidt
Dafür, dass ich zum Esel nicht mutiere.

21.11.2016

Gebote und Biochemie

Gott sagte: Du sollst nicht werten,
Über die Feinde auch.
Mit meinem Kopf um die Wette
Macht das für mich der Bauch.

Gott sagte: Du sollst nicht begehren
Des fremden Weibes Zopf.
Und pumpte dem armen Herren
Verstand in den unteren Kopf.

Ob mit oder ohne Sünden,
Mit 15 % Gehirn
Versuchen wir rauszufinden
Des Lebens Zweck und Sinn.

Man hat uns, ohne zu fragen,
Zu dem, was wir sind, gemacht.
Und nun müssen wir uns plagen,
Von oben dabei überwacht.

Ich bin den Gesetzen hörig.
Verzeiht mir die Blasphemie,
Doch wie soll man beides gewähren,
Gebote und Biochemie!?

20.11.2016