Fazit

Das Überbleibsel meiner Jugendträume,
Mein abgeschwächtes eigentliches Ich,
Kehrt neuerdings des Öfteren in sich.
Das nicht Verwirklichte und das Versäumte
In meinem Kopf, pragmatisch aufgeräumten,
Zählt es mir auf als Fazit unter`m Strich.

Auf dieser Liste stehen viele Orte,
Von mir als Unerreichbar angeklagt,
Beziehungen, in welchen ich versagt,
Das beste Lied, das ich noch schreiben wollte,
Der wahren Liebe unverfälschte Worte,
Die ich noch nie und niemandem gesagt,

Und vieles mehr. Verdrängt, versteckt, verschoben,
Ersetzt durch Dinge, stehend über`m Strich,
Substantiell, notwendig, wesentlich
Für einen Weg nach vorne und nach oben.
Nur schade, dass bevor ich abgehoben,
Starb mein geschwächtes eigentliches Ich.

 

Eine Träumerin

„Der beste Freund von Marx, Genosse Engels,
War lebenslang sein Gönner und sein Fan.
Ach, hätt‘ ich einen mächtigen Mäzen
Als Schutzpatron beziehungsweise –engel,
So würde ich, wie viele Prominente
Nur schöne Dinge machen, lebenslang,
Und zwischendurch im edlen Müßiggang
Der Seele melancholische Momente
Genießen: malen, schreiben, reisen,
Der schuftenden Bevölkerung zum Neid
Und jeden Tag in einem neuen Kleid
Im Restaurant Delikatessen speisen.“

Im Altenheim, auf Badewannenkante,
Die sie gerade blitzeblank gemacht.
Aus ihren Tagesträumen aufgewacht
Saß eine kreative Immigrantin
Und hasste Marx, der ehrlich uns beschrieben
Des Kapitals Engherzigkeit und Last.

„Ach, hätt ich in der Schule aufgepasst,
So wäre ich wahrscheinlich heim geblieben!“

Die Leichtigkeit des Seins (2) (Nach Milan Kundera)

Von allen Menschen ringsherum
Hat meine Seele ausgesucht
Dein Herz. Und weiß nicht mal warum,
Bist du die Droge meiner Sucht.

Wie oft hab‘ ich ihr schon gesagt,
Durch ihre Wahl verblüfft-empört:
„Wir haben jedes Mal versagt,
Weil nur auf deinen Rat gehört!“

Wir – sind der Kopf, der Bauch und sie,
Das flatterhafte blinde Huhn,
Mit einem Hang zur Amnesie
Und manchmal wild wie ein Taifun.

Vernunft und Logik außer Acht,
Mein dummes Seelchen träumt sich weg
Aus dieser regnerischen Nacht
In ein gemütliches Versteck,

Wo du für mich kein Fremder mehr,
Verständlich wie das Einmaleins,
Wo alles möglich mit Gewähr
Auf eine Leichtigkeit des Seins.

Im Labyrinth der Träume

Im Labyrinth der Träume meiner Seele
Verirrte sich ein menschenscheues Kind,
Entsprechend einsam und so traurig-elend,
Wie kranke Kinder es gewöhnlich sind.
Ich wollte es belehren, heilen, tadeln –
Doch konnte es nun wirklich nichts dafür,
Dass ihm entglitt der Ariadne Faden
Und das gemeine Schicksal schloss die Tür
In eine Welt, wo ohne Opfergaben
Die Götter unser einem gnädig sind,
Und Träume, wie die Sterblichen sie haben,
zerschellen nicht wie Echo gegen Wind.

Die Seelenblindheit

Die Seelenblindheit – meines Geistes Wahn
Nur das zu sehen, was mich nicht verwundet.
Ich hätte dieses schlaue Wort erfunden,
Wenn das schon jemand anders nicht getan.

Über mich selbst am lautesten gelacht,
Aus meinen Fehlern eine Lehre formend,
Entgegen der gesellschaftlichen Normen,
Ich überließ den Träumen ihre Macht

Und lebte wissbegierig, ohne Angst
In meiner Welt, so herrlich-unvollkommen.
Und dann kamst du und hast mir das genommen,
Was du nicht brauchst, belächelst und nicht magst.

Die Zeiten der Gedichte sind vorbei.
Es folgen Seiten der gemeinen Prosa.
Das neue Jahr versetzt mich in Narkose
Mit der erprobten Alltagsarznei.

11.12.2016

Eine Fantasie

Ich weiß, wir sind uns noch so fremd.
Verliebt in dein Hawaii-Hemd,
Die fremde Frau in meinem Kopf
Berührt unsittlich dessen Knopf.
Vernünftig, wie ich meistens bin,
Seh‘ ich im Träumen keinen Sinn,
Erwache aus der Amnesie
Und bändige die Fantasie.
Verlegen kämpfe ich mit ihr,
Doch dieses Luderchen in mir,
verspielt und sehnlich-ungestillt,
Kreiert bereits das nächste Bild,
Wo alles möglich und erlaubt
Und wie im Herbst der bunte Laub
Die Kleidung zu den Füssen fällt,
Und suggeriert mir eine Welt,
in der so selbstverständlich leicht
Nur das Verlangen zählt und reicht,
Um ohne Worte, ohne Zier,
Gedankenlos-unkompliziert
Zu lieben, wie das letzte Mal
Im Garten Eden vor dem Fall.

28.09.2016

Eine kleine Nachtmusik

Leseprobe:

„….. Ihr war schon klar, dass ein Leben mit so einem Mann für sie nicht in Frage kommen würde. Wo ist sie – und wo er. Aber irgendwie fühlte sie sich seinem Leben zugehörig. Ob sie vielleicht auch das Gen dieser ausgestorbenen Rasse besaß? Wohl kaum. Das positive Ergebnis ihrer ersten Begegnung mit der großen Kunst war, dass zu ihren toten Freunden aus der Musikszene ein lebender dazu kam. Und das war schon ein großer Fortschritt: Die Wahrscheinlichkeit einer Beziehung mit jemanden, der noch lebt, war um einiges höher. Jetzt hatten ihre Träume feste Umrisse. Sie sah sich in der ersten Reihe in jedem seiner Konzerte. Sie stellte sich vor, dass er sie endlich mal unter den Zuhörern bemerkt, nach dem Konzert anspricht und in ein gemütliches Café einlädt. Später fand sie sich bei ihm zu Hause, im dunklen Zimmer auf dem Teppich mit geschlossenen Augen, wobei er an einem weißen Flügel sitzt und für sie Mozarts Klavierkonzert Nr. 21, ihr allerliebstes Musikstück spielt. Sie hört die wehmütigen Klänge des Andantes, sie muss weinen, geht auf den Spielenden zu, lehnt sich an seinen Rücken und… Danach folgt eine der so oft gedachten Varianten der erotischen Szenen, die sie verlegen aus dem Kopf verdrängt, um schneller zu Ihrer Lieblingsepisode zu kommen: sie in Weiß und mit Blumen, er in einem schwarzen Frack und der Pfarrer, der sie traut, heimlich, ohne Zeugen und ohne Gäste. In der Kirche ist es halbdunkel. Leise Orgelmusik füllt den Raum. Sie ist glücklich. Sie nennt ihn laut und italienisch-expressiv – Vittorio… und der Klang ihrer eigenen Stimme bringt sie wieder zurück in das nach altem Bratfett stinkende Zimmer der Großtante, die sie mit Erstaunen ansieht. Auf dem Tisch steht ein Teller mit Bohnensuppe. Sie ist schon kalt geworden und deswegen schwimmt auf der flüssigen Oberfläche, zwischen den angebratenen Zwiebeln, Grieben und Kartoffelwürfeln eine dicke Fettschicht. Melina muss sich übergeben.

Die Großtante war langsam besorgt: Das Mädel verschwindet immer wieder stundelang aus dem Haus, redet kaum noch mit ihr, träumt nur vor sich hin und jetzt das noch. O Gott! Sie hätte die Verantwortung auf sich nicht nehmen sollen. Hoffentlich ist die Göre nicht schwanger!

Aber die Sorgen der alten Frau waren unbegründet. Es gab nur ein Konzert des charismatischen Pianisten in dieser Stadt und durch das viele Träumen ist noch kein einziges Mädel in der Welt schwanger geworden. ….“

Vollständiger Text der Erzählung folge dem link: Eine kleine Nachtmusik