Das Desaster

Es ist nicht einfach, eine Frau zu sein.
Und wenn noch eine von der wachen Sorte
Mit einer Schwäche für gereimte Worte –
Dann frage lieber nicht nach Sonnenschein!

Bekanntlich ist die Liebe zum Detail
Dafür verantwortlich, dass wir analysieren,
Gedanklich über alles reflektieren,
Beschreiben und bewerten jedes Teil

Und lassen die Gesamtheit außer Acht,
Vor lauter Bäume einen Wald nicht sehend.
Die heile Welt so sehnsüchtig begehrend,
Wird jedes Steinchen passender gemacht.

In hübschen Köpfchen wohnt die Phantasie.
Die Tatsachen ersetzt durch gute Omen,
Wir lieben die erfundenen Phantome
Solange uns interessieren sie.

Ein kühler Snob betrachtet eine Frau
Und denkt vielleicht: Zwar äußerlich nicht übel,
Doch mit der Männerwelt nicht kompatibel!
Ich kann nicht widersprechen: Stimmt genau!

Wer hat sich dieses Spielchen ausgedacht
Und glaubte, dass zwei völlig fremde Welten
(Die überschneiden sich nun wirklich selten),
Problemlos passen unter einen Dach?

Der Spruch mit einem Deckel zu dem Topf,
Im alten Sinne Platos Kugelmenschen,
Für mich nicht nachgewiesen, platt, und wenn schon,
Spuckt fast in jedem frisch verliebten Kopf.

Aus dieser Logik werde ich nicht schlau!
Der Nonsens macht dem Schöpfer keine Ehre.
Ich kann mir das Desaster nur erklären:
Der liebe Gott war nämlich eine Frau.

17.11.2016

Ein Versprecher

Für andere nicht, doch für dich würd‘ ich’s machen,
Unglaubliche, schöne und sinnvolle Sachen:
Die finstere Nacht mit dem Mondlicht erhellen,
Beim schlafenden Gott gutes Wetter bestellen,
Den traurigen Herbst um die Hälfte verkürzen,
Mich unüberlegt in die Leidenschaft stürzen,
In peinlichen String und in Strapse verkleiden,
Um mehr abzunehmen, den Hunger erleiden,
Romantische Lieder dir gnadenlos singen,
Mit albernen Witzen dein Lachen erzwingen,
Tags arbeiten gehen, um Geld zu verdienen,
Zu Hause dich wie einen Pascha bedienen,
Ob du es nun glaubst oder nicht, ich würd‘ schweigen,
Mich nie unbeherrscht oder weinerlich zeigen,
Und keine Skandale und Streits provozieren,
Die Anzahl der Schuhe auf zwei reduzieren,
Die anderen Jungs permanent kritisieren,
Die mich absolutely nicht interessieren,
Dir nicht widersprechen und nie rebellieren,
Und nur über Fußball mit dir diskutieren.
Ich würde dich niemals manipulieren,
Und wenn schon, du würdest es gar nicht kapieren…

O Shit! Letzter Satz könnte alles verderben.
Das liegt wohl an deutschen gleichförmigen Verben,
Die mich animieren in Rage zu reimen –
Sonst würde ich nie so viel lügen und schleimen!

15.11.2016

Eine/keine Ahnung

Ich ahne, es wird einmal richtig traurig
Und ziemlich peinlich wird es einmal sein,
soeben tot, geschlüpft durch eine Mauer,
den Satz zu hören: Du kommst hier nicht rein!

Der Weg ins Jenseits – keine leichte Reise.
Man glaube, einen freundlichen Empfang
Verdient zu haben statt einer Verweisung
In einen unbeliebten Sünderrang.

Ok. Ich war noch nie ein braves Mädchen:
Zu stürmisch und daher nicht konsequent.
Doch sind wir nicht nur kleine Bio-Rädchen
Des angeborenen Temperaments?

Dann gibt es noch die Tiefenanalyse
Nach dem berühmten Klempner Sigmund Freud.
Er hat die Schuld von denen nachgewiesen,
Die uns gezeugt, geboren und betreut.

Die Pubertät, der Stress, die Wechseljahre!
Vielleicht sitzt mir der Dschingis Khan im Blut?
In uns’ren Genen stecken die Gefahren.
Und ich? Ich hab‘ mich wirklich stets bemüht.

Ich wollte immer klug und gütig werden.
Nun steh‘ ich da, verloren und geknickt.
Wenn möglich, schickt mich wieder auf die Erde,
Als Strafe für das Leben – mein Delikt.

Wen reizt schon dieses luftige Nirwana?
Wer wünscht sich dieses fromme Paradies?
Ich habe wirklich keine blasse Ahnung,
Was soll ich in dem himmlischen Verließ?

14.11.2016

Ein bisschen Plagiat

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin…
Heinrich Heine (Lied von der Loreley)

Ich weiß nicht was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin.
Es fühlt sich an nach erhöhten
Mengen von Oxytocin.

Das ist ein Hormon. Ich zitiere:
Wirkend im unteren Bauch
Beim Streicheln der niedlichen Tiere,
Beim Stillen der Babys auch.

Es steuert unsere Triebe
Richtung Geschlechtsverkehr,
Beim sich unsterblich verlieben
Und verblöden daher.

Einer der wirklich coolen,
Herr Heine wusste nichts von.
Man konnte ja schließlich nicht googeln
Das unbekannte Hormon.

Zum Glück. Sonst wäre wohl Sense
Mit lyrischer Träumerei
Sowie mit poetischer Sehnsucht
Nach Jungfrau‘n (im Text Loreley).

Ich bin ungefähr so romantisch
Wie der Erklär-Bär
Und tobe mich aus am Schreibtisch
Und nicht beim Geschlechtsverkehr.

Ich stille kein Baby und war nicht
Seit Jahren im Streichelzoo.
Verliebt? O verdammt und wahrlich!
Nicht wieder, nicht jetzt, nicht so!

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin.
Es fühlt sich an nach erhöhten
Mengen von Oxytocin.

Ich habe im Blut Werte
Sich paarenden Kakadus.
Und trotz meiner Aufgeklärtheit –
Warum ausgerechnet du?

06.11.2016

Meine Katze

Meine Katze – ein stolzes Tier,
Ihres Lebens der Hauptdarsteller,
Eine Königin im Revier:
Drei Etagen mit Garten und Keller.

Weiße Söckchen und weicher Bauch,
Mit dem Fell könnte sie nach Alaska!
Grüne Augen funkeln im Rauch
Einer venezianischen Maske.

Warme Heizung pulsiert am Genick,
Ausgestreckt auf dem flauschigen Kissen,
Sie ist faul, sie ist frech, sie ist dick,
Allemal ohne schlechtes Gewissen.

Sie genießt ihre Freiheit am Tag,
Wenn ich unsere Brötchen verdiene.
Ich bin abends ein müdes Wrack,
Sie – die flotte verspielte Biene.

Und am Morgen weckt sie mich auf,
Auch am Sonntag, um Punkt halb sieben!
Wenn ich dich mal erwische, pass auf,
Kriegt dein dicker Popo ein paar Hiebe!

Für die anderen Katzen ein Grund
Fernzubleiben, sonst wird was geschehen.
Auch der alte benachbarte Hund
Hat schon Angst aus dem Haus rauszugehen.

Dosenfleisch mit Getreidegemisch
Ignoriert meine kleine Mätresse.
Sie stibitzt mir den Schinken vom Tisch
Und lässt mich ohne Abendbrotessen.

Fairerweise bringt sie ab und zu
Mir zum Frühstück halbtote Mäuse,
Frisst sie selbst, denn die Tür ist zu,
Wenn ich zufällig nicht zu Hause.

Ihren Schwarm sucht sie selber aus.
Ihre Babys – zwei prächtige Racker:
Katzenjunge – wie sie, schwarz-weiß,
Pantermädchen so hübsch wie ihr Macker.

Dieses Biest hinterlässt überall
Hieroglyphen an Wänden und Türen.
Ihretwegen musste ich mal
Meine Wohnung komplett renovieren.

Und beschloss dann: ich gebe sie wech!
Von wem hat sie das Toben und Kratzen!?
Ob von mir? Oder war so frech
Ihre leibliche Mutter-Katze?

Nun, wir leben zu zweit immer noch,
Relativ unabhängig geblieben.
Schnurrend liegt sie bei mir auf dem Bauch
Jeden Abend, weil wir uns doch lieben.

03.11.2016

Ein Dankeschön an Erich Fromm

Ein Ass im seelischen Revier
Schrieb Erich Fromm bereits vor Jahren:
Das, was wir lieben, müssen wir
Nicht in der Wohnung aufbewahren.
Besitz macht spießig und darum
Im Louvre bleibt die Mona Lisa,
Das Alpenveilchen auf der Wiese
Und in Paris der Eifelturm.
Mein Favorit – das Mittelmeer
Liegt leider Gottes weit von Essen
Es zu besitzen, wäre sehr
Selbstsüchtig und unangemessen.
Ist halb zerfallen und amorph
Die alte Mauer der Chinesen,
Doch auch bei uns, in Altendorf,
Als Gartenzaun bestimmt zu crazy.
Die Liste schreibe ich nicht fort
Von dem, was mir ans Herz gewachsen,
Bin nämlich weise und erwachsen –
Ver- und entliebe mich vor Ort.
Für deinen gut gemeinten Rat
Sei dir gedankt, mein lieber Erich.
Ja, viele Dinge sind zu sperrig
Und passen nicht in mein Format.
Das gleiche gilt wohl auch für Männer,
Ob einfach oder kompliziert.
Man muss nicht sein ein Seelenkenner,
Um es zu wissen, nur liiert.
02.11.2016

Heute

Heut‘ bin ich friedlich, schweigsam und gelassen,
Genieße auch die Einsamkeit zu zweit,
Bereit zu nehmen oder loszulassen
Und akzeptiere die Gegebenheit.
Dass ich die Bäume lieber mag als Menschen,
Dass tote Dichter Freunde können sein,
Der Winter kommt, so bitterkalt, und wenn schon,
Noch knistert der Kamin und wärmt der Wein.
Herrgott! Vielleicht auch ich werd‘ endlich weise,
Demütig, ruhig und charakterstark,
Und lebe unspektakulär und leise
Wie dieser alte leer geword’ne Park.
Das sanfte Gelb liegt sterbend auf der Erde.
Sich sattgesehnt nach trügerischem Schein,
Mein Blick sieht klar – es kann nur besser werden.
Und mehr fällt mir zu diesem Tag nicht ein.
02.11.2016