Fünf Säulen

Liebe, Familie, Freunde, Job, Kreativität –
Quelle des Leids und der Freude steckt in diesem Quintett,
Die bedeutendsten Säulen meiner inneren Welt,
Sie zerbröckelt nicht neulich, wenn die eine nicht hält.
Therapeuten der Seele tragen Spuren der Zeit:
Liebe stirbt, Freunde fehlen, Zweifel machen sich breit.
Götzen liegen in Schreinen, abgenutzt und befleckt.
Lass‘ mir wenigsten einen, himmlischer Architekt.

Eine Träumerin

„Der beste Freund von Marx, Genosse Engels,
War lebenslang sein Gönner und sein Fan.
Ach, hätt‘ ich einen mächtigen Mäzen
Als Schutzpatron beziehungsweise –engel,
So würde ich, wie viele Prominente
Nur schöne Dinge machen, lebenslang,
Und zwischendurch im edlen Müßiggang
Der Seele melancholische Momente
Genießen: malen, schreiben, reisen,
Der schuftenden Bevölkerung zum Neid
Und jeden Tag in einem neuen Kleid
Im Restaurant Delikatessen speisen.“

Im Altenheim, auf Badewannenkante,
Die sie gerade blitzeblank gemacht.
Aus ihren Tagesträumen aufgewacht
Saß eine kreative Immigrantin
Und hasste Marx, der ehrlich uns beschrieben
Des Kapitals Engherzigkeit und Last.

„Ach, hätt ich in der Schule aufgepasst,
So wäre ich wahrscheinlich heim geblieben!“

Die Zeit

Der einzig‘ Gott auf Erden ist die Zeit.
Sie ist allmächtig, fair und manchmal gnädig,
Und unbestechlich wie die Ewigkeit,
Wenn sie das Unvermeidliche erledigt.

Sie ist die Zukunft und die Gegenwart.
Ich spüre ihre göttlichen Impulse
Im sturen Wechsel der Gezeitenart
Sowie im Rhythmus meines schwachen Pulses.

Auf ihre Urteilsgabe ist Verlass,
Denn Gottes Wege sind nicht unsre Wege.
Vergänglich sind die Liebe, Lust und Hass,
Beständig nur das Streben nach Bewegung.

Wir wissen nun: Die Sicht ist relativ
Aus einer eingeschränkten Perspektive.
Es kommt drauf an, wie hoch ist das Stativ
Und klar die Linse deines Objektives.

Die Zeit und die Schönheit

Am schönsten sind die Dinge die verblassen,
Verloren gehen oder aus der Sicht
Verschwinden, einen Eindruck hinterlassend,
Sie waren wichtig wie das Augenlicht.

Für alles, was wir einst bewundert haben,
Errichten wir andächtig ein Altar.
Die Zeit verzichtet auf die Opfergaben,
Der unbestechlich weise Avatar.

Vernunft und Liebe

Was wären wohl die Menschen ohne die
Vernunft und Liebe? – Eine Parodie
Der altbekannten schmeichelhaften These
Von Geist und Seele, Körper und Verstand,
Vereint in einem aufgeklärten Wesen
In einem mündigen Entwicklungsstand.

Die These untersuche ich akribisch
Und komme um die Wahrheit nicht herum:
Bin ich vernünftig, muss ich auf die Liebe
Zu dir verzichten oder andersrum:
Dich liebend, alle Zweifel ausradieren
Und unverhofft zum Dummerchen mutieren.

Doch leider ist das Dummerchen-Konzept
Für dich und mich kein passendes Rezept.

Aus meteorologischem Aspekt

Des milden Südens heißgeliebtes Kind,
Ich mochte nie den Scharm der kalten Meere.
Das trübe Wasser und den kalten Wind
Empfinde ich ganzjährlich als verheerend.

Die, die es mögen, sind mir zu suspekt,
Die Trennung käme logisch-unvermeidlich.
Aus meteorologischem Aspekt
Bin ich intolerant und fremdenfeindlich.

Der Sonntagmorgen

Die ganze Nacht hat es geregnet
Und morgens gab es ein Gewitter
Geduscht und kräftig durchgeschüttet,
Kam Sonne raus dem Tag entgegen.

Der liebe Gott schien zu vergessen,
Dass heute Sonntag ist und weckte
Die lauten Vögel in der Hecke
Sowie auch mich in Folge dessen.

Wir, optimistisch, unbelehrbar,
Für manchen Snob vielleicht zu kitschig,
Begannen sorglos wie ein Playboy
Den Tag mit fröhlichem Gezwitscher.

Im Garten

Alles blüht und gedeiht und verkündet die Daseinsberechtigung.
Auch das lästige Unkraut, als sehr optimistisch bekannt.
Das ist mein Paradies, für die Pflanzen bin ich die Allmächtige
Und entscheide, was stirbt und was lebt mit entschlossener Hand.

Dieses blättrige Volk ist rebellisch und will nicht gehorsam sein.
Und schon während ich hier, über Gottesgewalt nachgedacht,
Brav entschuldigte mich wie Buddhisten für menschliche Grausamkeit,
Hat es wieder gesprießt und ins grünliche Fäustchen gelacht.

Der Wal

Ein gestrandeter Wal
Warte ich auf die Flut.
Wasser – mein Elixier und Rettung.
Hoffen ist eine Qual.
Geht es noch einmal gut
oder bleibe ich hier gebettet?

Jeder hält mich für stark,
Zwanglos und ungezähmt.
Was für ein schlechter Scherz: ein Riese,
In dem sandigen Sarg
Von dem Schicksal gelähmt
Auf ein gnädiges Herz angewiesen.

 

Eine Nuance

Die alles klärende Nuance:
Ich bin zum Frühstück nicht geblieben.
Die Göttin des gerechten Zorns
Bestraft die vorgetäuschte Liebe
Mit einem Fluch der Einsamkeit,
Am Geiste nagender Chimäre.
Doch lieber so, als die zu zweit
Gefühllos ausgestopfte Leere.

19.06.2018