Im Dorado der Triebe

Wir verlernten zu fühlen,
Ein Surrogat der Gefühle
Muss unbedingt her.
Um lebendig zu bleiben,
Lassen Menschen sich treiben
Im unendlichen Meer
Der Begierde Karibik.
Wenn untauglich für Liebe,
Gibt uns wenigstens Sex.
Bäuche, Brüste und Beine,
Suchen, finden, vereinen –
Heute hip, morgen Ex.
Austauschbar sind wir alle,
Herzensgut oder gallig,
Tauglich für eine Nacht.
Im Dorado der Triebe
Hat die ewige Liebe
Durch die Tränen gelacht.

Der Vampir

Es gibt ihn doch, den schmachtenden Vampir,
Der ungeniert von fremden Schmerzen lebt.
Schon ist das nächste Opfer im Visier,
Das er mit seinem kalten Scharm umwebt.

Wie herrlich duftet das Adrenalin!
Wie heiß pulsiert das zuckersüße Blut!
Ein Schluck davon berauscht und rettet ihn.
Er merkt nicht mal, dass er was Böses tut.

Lebendigkeit erfordert ihren Preis.
Danach kommt in der Ewigkeit ein Riss.
Mit weißer Kreide aufgemalter Kreis
Verdrängt ihn in die öde Finsternis.

Futterneid

Dem Leben aus der Serie: „Man könnte,
Es wäre möglich, aber muss nicht sein“
Fehlt der Elan, die Überraschungspointe,
Verglichen mit dem Glück per Lottoschein.

Verbotenes erregt das Interesse –
Wir werden aus Erfahrungen nicht schlau!
Und besser schmeckt dem Gaumen fremdes Essen,
Und hübscher scheint zu sein die fremde Frau.

So sind die Menschen! In den Köpfen fiebern
Uralte Muster und der Futterneid.
Vieleicht bist du in mich verliebt, mein Lieber,
Wie ich in jenes viel zu teure Kleid?

Kalenderweisheit

Ich liebe das Geräusch der gelben Blätter
auf dem Asphalt.
Bald kommt der erste Frost, der Straßen Glätte –
das Jahr wird alt.
Dann pudert es Gesichter unser´ Städte
mit weißem Schnee,
Verziert die Tannen mit den Lichterketten
wie eh und je,
Verrutscht danach mit lautem Korkenknallen
ins neue Jahr
Und landet unausweichlich, wie wir alle,
im Januar.
Ein Neubeginn ergibt sich aus dem Ende
natürlich-schlicht.
Ich danke dir, Erfinder des Kalenders,
für Unterricht.

Das Herbstliche

Was für ein scheußlich-depressives Wetter!
Wie missgelaunt der Jammerlappen-Herbst!
Ich weine mit dem Regen um die Wette.
Mal sehen, wer berappelt sich zuerst.

Um meinen Frust zweckmäßig abzubauen,
Benutze ich gewöhnlich einen Stift,
Verwandle meines Geistes kalte Schauer
Ins melancholisch-zuckersüße Gift
Der Ärztin-Lyrik. Aus der Not der Lage
Gewinn zu schlagen – ist ein starkes Stück.
Der müde Herbst gibt sich von mir geschlagen
Und zieht sich bis auf Weiteres zurück.

Die Sonne hat erneut die Welt erobert
Und lockt mich in die Wälder nebenan.
Der leicht verwirrte goldene Oktober
Schmiegt sich vertraut an pralle Bäume an.

Ein Krieg

Zwei Seiten meiner Seele führen Krieg:

Die eine, die vertraut an deiner schmiegt,
Abhängig von der Gnade deiner Blicke,
Anfällig wie ein Kind für Missgeschicke,
Glückselig, wenn von dir ein Scherflein kommt
Und traurig, wenn sie etwas nicht bekommt;

Die andere, erfahrene, die weiß,
Wie selten schließt sich zweier Seelen Kreis,
Wie aussichtslos das kindliche Verlangen
Bei dir zu sein und trotzdem unbefangen.

Ich hoffe, dass die klügere gewinnt.
Zu peinlich ist mir dieses Seelchen-Kind.

Geile Schnecke

Einst in einer Gartenecke
Lebte eine geile Schnecke.
Braungebrannt und splitternackt
Träumte sie vom Liebesakt.

Weich, genügsam, immer lächelnd –
Was bekanntlich gilt als Schwäche,
Kam sie leider nicht zurecht
Mit dem anderen Geschlecht.

Mal war ihr der Schatz zu schleimig,
Mal zu langsam, mal zu eilig,
Eingebildet oder dumm
Oder einfach andersrum.

Irgendwann – das soll es geben! –
Kam der Richtige ins Leben
Und begattete im Ring
Das rundum verliebte Ding.

Zugegeben, etwas ruppig,
Doch es war ihr diesmal schnuppe.
War schon früher arglos-blind,
Nun endgültig durch den Wind.

Vierundzwanzig lange Stunden
War das Schneckenpaar verbunden
Ohne Hemmungen und Sham
Als der blöde Gärtner kam.

Wie ein Mafiosi-Pate
Nahm er einen scharfen Spaten
Und zerstach die Beiden quer
Mitten im Geschlechtsverkehr.

Seiner Ernte galt die Sorge.
Abgestumpfter Selbstversorger
Schmiss den Traum von Harmonie
In die Unkrautdeponie.

Was für traurige Geschichte!
Denn zum Schluss verendet schlichte
Einem Zyniker zum Trost
Manche Liebe im Kompost.