Eine Geschichte über Menschen und ihre Nachfolger

Im dreiundzwanzigsten Jahrhundert,
Die Kinderkrankheiten verwunden,
Herrscht nun die holde Exzellenz –
Die künstliche Intelligenz.

Der Menschen überholte Rasse
Erklärte sie zur grauen Masse,
Der Umwelt nicht äquivalent
Und nicht genug intelligent.

Der Mensch entsteht auf Wohlgeraten
Durch einen „Zufallsgenerator“.
Das macht ihn spannend, aber auch
Anfällig für das schwere Joch

Der Krankheiten und Schicksalsschläge.
Die neuen Wesen fanden Wege:
Bekämpften jeglichen Defekt
Und sind nun endlich fast perfekt.

Geformt aus Chips und Kollagenen,
Aus menschlichen (nur guten) Genen
Und übermenschlichem Verstand,
Ein Bio-Android entstand!

Die Erde blüht in allen Ecken,
Erholt sich langsam von dem Schrecken,
Den ihr die Menschen eingejagt,
Die, ihrerseits, seit je geplagt

Vom Leben, voller Not und Zweifel,
Beginnen langsam zu begreifen
Den dubiosen Status Quo:
Nur im Theater und im Zoo

Gibt’s sie, dank artgerechter Haltung.
Sie sorgen für die Unterhaltung
Als Maler, Dichter so auch wie
Auf dem Gebiet Philosophie.

Hier sind die Menschen doch robuster,
Mit ihrem ärmlichen Bewusstsein.
Das haben Bios schnell erkannt,
Als ihre Platten durchgebrannt

Beim Suchen, übrigens vergebens,
Nach evidentem Sinn des Lebens,
Nach Universums auf und ab
Und ob es einen Schöpfer gab.

Bei dem Versuch zu komponieren,
Mussten sie auch kapitulieren.
Die elektronische Musik
War zwar harmonisch und geschickt,

Doch fehlte ihr die alte Schwermut,
Der Traurigkeit ersehnter Wermut
Beziehungsweise Heiterkeit
Und leichte Unvollkommenheit.

So schreiben Menschen Liebesverse
Und spinnen über´s Universum.
Ein bisschen Sex, ein wenig Sport
Den Biorobotern zum Spott.

Sie leben friedlich in Revieren,
Wie seinerzeit im Zoo die Tiere,
Und haben alles: Kost und Haus
Und sterben leider langsam aus.

Die Bios kommen sie besuchen,
Zum Glotzen oder Untersuchen.
Und eines Tages kommt vorbei
Ein Klon mit seinem Söhnchen Kai

Und spricht: „Da sitzen unsre Väter,
Kaduker Spezies Vertreter.
So kann es kommen, lieber Sohn,
Für überholte Version.

Sie hassten sich und führten Kriege,
Den Hals voll konnten sie nicht kriegen.
Die Jungs, die ihrer Zeit voraus,
Verbrannten sie und lachten aus.

Die meisten aßen tote Tiere
Und waren schwächer als die Viren,
Missbrauchten Drogen, Alkohol
Und wurden bald im Speicher hohl.

Sie lernten langsam, durch Nachahmen.
Es gab auch keine Hologramme,
Und keine Mikrochips im Kopf,
Und zum Resetten keinen Knopf.

Sie hielten sich für schlaue Köpfe
Und für die Krönung aller Schöpfung,
Doch wählte einen andren Ton
Die weise Evolution.

Dreihunderttausend lange Jahre
Auf dieser Welt und doch, o Jammer,
So wie man’s sieht, nicht weit gebracht!
Nun, elektronisch überwacht,

Verbringen ihre Freizeit viele
Mit einfachen Computerspielen,
Die Andern lesen immerhin
Und vegetieren vor sich hin.“

Das schlaue Kerlchen kommt ins Staunen,
Betrachtet Männer und die Frauen,
Ein kleines Mädchen spielt im Sand
Mit einer Schaufel in der Hand.

Der aufgeweckte Bios-Knabe
Sagt zu dem Vater: „Kann ich haben
Das, mit dem niedlichen Gesicht,
Für meinen Biounterricht?

Wie sieht wohl aus so’n Ding von innen?
Impulse, Leitungen und Sinne,
Und ob es einen Pimmel hat
Erfasse ich im Referat.“

Der Bios-Papa, alter Schwede, –
Versucht es Kaichen auszureden:
„Wir fragen erstmal deine Mam.
Viel besser ist ein Hologramm.

Man darf das Faktum nicht vergessen,
Die Menschenkinder sind verfressen,
Brutal, verzogen und gemein,
Die Kleineren nicht stubenrein.“

Auch Bios-Kids sind manchmal biestig
Uns lassen sich nicht überlisten.
Der Zukunftsstreber dreht am Rad
Und schnappt die Kleine rabiat.

Das Mädchen schreit. Ich werde wach.
An meiner Seite liegt und schnarcht
Mein Homo sapiens geliebter;
In ihrem Bettchen wohlbehütet
Schläft meine Tochter, süß und klein,
Und ja, sie ist nicht stubenrein.
Mein Engel mit den Kulleraugen,
Mal frech und manchmal ungezogen.
Sie lässt und macht, was ihr gefällt
Und doch das Liebste auf der Welt.

Soll dieses Wunder mal verschwinden,
Bevor wir, Menschen, überwinden
Die Machbesessenheit und Gier?
Seit eh und je besitzen wir
Die großen und die kleinen Schwächen,
Die Sucht nach Leben und die Frechheit,
Spontanität und Freiheitssinn –
Was die Maschinen niemals sind,
Und zwar, das ungebeugte Wesen
Allein im kalten Universum,
So klein und manchmal kurios,
In seinen Träumen kühn und groß,
Versiert und weit vorangekommen,
Und doch so tragisch-unvollkommen,
Was ohne oder mit Bedacht
Den Menschen zu dem Menschen macht.

Ich grüble, starrend in die Decke,
Mein Laptop brummelt in der Ecke,
Klingt nicht bedrohlich (oder doch?)
Und fährt unaufgefordert hoch.

Er führt bereits sein Eigenleben.
Intelligentes Bürschchen eben,
Mit seinem künstlichen Verstand
Und immer auf dem neusten Stand.

Gibt es mir einen Grund zur Skepsis?
Ich frage morgen die Alexa.

Männer und Kleider

Die Männer dienen einem guten Zweck,
Vorausgesetzt sie sind in uns verschossen.
Dann holt man sie nach Hause und … o Schreck! –
Die passen nicht und Umtausch ausgeschlossen!

Wie mit den Kleidern. Im Geschäft entzückt,
Nimmt man sie mit, nach zweiundzwanzig Proben,
Dann hängt das teure heißbegehrte Stück
Fast ungetragen in der Garderobe.

Doch sind die Guten wenigstens bequem
(Ich meine Kleider), trägt man sie zu Hause.
Im schlimmsten Fall, man schenkt sie irgendwem,
Der ohnehin ein Modewelt-Banause.

Und ist man einmal wieder unterwegs,
So will man unbedingt ‚was Neues holen
Erstaunlich, doch wir machen unentwegt
Die gleichen Fehler und verschwenden Kohle.

Und manchmal ist es eine Rarität,
Ob Mann, ob Kleid, was Passendes zu finden.
Favorisiert man Stil und Qualität,
So sollte man die Kaufsucht überwinden.

Ich nähe meine schönen Kleider selbst
Und stricke bunte Schals und schicke Jacken.
Und wenn es wieder kälter wird im Herbst,
Werd‘ ich mir einen Mann zum Kuscheln … backen.

Die Genießerin

Der Tag beginnt mit Schokotrüffeln,
Mit Kaffee und mit Zigarette
Ich war noch nie ein Morgenmuffel,
Auch wenn ich viele Gründe hätte.
Was braucht ein Mensch? Den blauen Himmel,
Sein täglich Brot, ein paar Gelüste.
Ich fühl‘ mich wohl in dem Gewimmel
Der optimistischen Narzissten.
Für Miesepeter oder Spießer
Bin ich mir wirklich viel zu schade.
Was braucht ein fröhlicher Genießer? –
Ein bisschen Glück und … Schokolade.

Im „de Paris“

In einem Strandhaus de Paris,
Bekannt als Rentnerparadies,
Ist heute Abend Life Musik.
Die Alten, nach dem neuen Glück
Noch lechzend, kommen oft hier her –
Des 20. Jahrhundert Flair
Bezaubert sie. Schon sind vergessen
Die Gicht, das schlecht verdaute Essen,
Das Rheuma und der Alltagsschrott.
Hier ist Musik der liebe Gott.
Sie lässt die Faltenröcke fliegen,
Die Kavaliere mit den Fliegen
Auf weißen Hemden sind galant.
Sie reichen Damen ihre Hand,
Und, siehe da, es gibt noch Orte,
An denen offline wird geflirtet!

Der Foxtrott schwingt gekonnt das Bein.
Ich stehe abseits und allein
Und fühle mich so eigenartig:
Zu jung für diese Rentnerpartie,
Zu alt für eine Diskothek –
Das wäre doch ein bisschen schräg.
Mein Alter macht mir doch zu schaffen.
Dann eben nicht. Dann geh‘ ich schlafen!
In 20 Jahren komm‘ ich her.
Kein falscher Stolz und keine mehr
Komplexe, Hoffnungen und Schanzen.
Die flotte Oma will nur tanzen!

Ohne Garantie

Man kriegt ein Leben ohne Garantie
Und ohne halbwegs brauchbare Anweisung.
Wie die Pralinen Marke Assorti
Schmeckt es mal süß und bitter stellenweise.

Dass es so unbemerkbar schnell vergeht,
Vergaß der liebe Gott uns mitzuteilen
Und lieferte auch kein Ersatzpacket
Für alle abgenutzten Körperteile.

Und jeder Tag entpuppt sich als Beweis
Der ausgeschöpften Energiereserven,
Als harter Test für ausgepeitschte Nerven
Und sterblicher Materie Verschleiß!

Was für ein Sch..ß!

 

Se la vi

Eine Fabel

Es lebte einst in einem Land
Ein schlecht bezahlter Musikant,
Der jeden Abend sich verkroch
Unsichtbar im Orchesterloch
Und dachte traurig: Irgendwann
Bin ich berühmt und reich. Und dann
Werd‘ ich mein Können zeigen,
Als Star und erste Geige.

Die Zeit verging: kein Ruhm, kein Geld,
Da oben tobte eine Welt,
Er saß noch immer düster
Unter dem großen Lüster.
Und dachte traurig: Irgendwann
Fällt dieses Ding, dann bin ich dran.
Wozu die Firlefanzen
Mit Mühen und Allianzen?

Und hatte recht, denn, se la vi.
Sind wir nicht alle irgendwie
Geplagt von diesem Lüster,
Nur weniger bewusster?

Eine Träumerin

„Der beste Freund von Marx, Genosse Engels,
War lebenslang sein Gönner und sein Fan.
Ach, hätt‘ ich einen mächtigen Mäzen
Als Schutzpatron beziehungsweise –engel,
So würde ich, wie viele Prominente
Nur schöne Dinge machen, lebenslang,
Und zwischendurch im edlen Müßiggang
Der Seele melancholische Momente
Genießen: malen, schreiben, reisen,
Der schuftenden Bevölkerung zum Neid
Und jeden Tag in einem neuen Kleid
Im Restaurant Delikatessen speisen.“

Im Altenheim, auf Badewannenkante,
Die sie gerade blitzeblank gemacht.
Aus ihren Tagesträumen aufgewacht
Saß eine kreative Immigrantin
Und hasste Marx, der ehrlich uns beschrieben
Des Kapitals Engherzigkeit und Last.

„Ach, hätt ich in der Schule aufgepasst,
So wäre ich wahrscheinlich heim geblieben!“

Vernunft und Liebe

Was wären wohl die Menschen ohne die
Vernunft und Liebe? – Eine Parodie
Der altbekannten schmeichelhaften These
Von Geist und Seele, Körper und Verstand,
Vereint in einem aufgeklärten Wesen
In einem mündigen Entwicklungsstand.

Die These untersuche ich akribisch
Und komme um die Wahrheit nicht herum:
Bin ich vernünftig, muss ich auf die Liebe
Zu dir verzichten oder andersrum:
Dich liebend, alle Zweifel ausradieren
Und unverhofft zum Dummerchen mutieren.

Doch leider ist das Dummerchen-Konzept
Für dich und mich kein passendes Rezept.

Aus meteorologischem Aspekt

Des milden Südens heißgeliebtes Kind,
Ich mochte nie den Scharm der kalten Meere.
Das trübe Wasser und den kalten Wind
Empfinde ich ganzjährlich als verheerend.

Die, die es mögen, sind mir zu suspekt,
Die Trennung käme logisch-unvermeidlich.
Aus meteorologischem Aspekt
Bin ich intolerant und fremdenfeindlich.

Geschichten ohne Anfang

Wie schön sind die Geschichten ohne Anfang!
Denn alles, was in meinem Kopf passiert,
Ist zwar ein Drama, doch der gute Ausgang
Ist den Akteuren meistens garantiert.

Im Alltag – Friede, Freude, Eierkuchen,
An Feiertagen – Sekt und Kaviar,
Erfüllung jeder heimlichen Versuchung,
Karibikurlaub zwei-drei Mal im Jahr.

Und alle Typen mit sensiblen Ohren,
Mit Urlaubswunsch auf Rügen oder Sylt,
Sind für den schönen Trip nichts auserkoren,
An ihrem öden Leben selber schuld.

So wie auch du, mein Anlass für Gedichte,
Mein Grund zum Sterben, ohne dass ich’s tat.
Ich danke dir, dass unsere Geschichte
So kreativ nicht angefangen hat.