Fazit

Das Überbleibsel meiner Jugendträume,
Mein abgeschwächtes eigentliches Ich,
Kehrt neuerdings des Öfteren in sich.
Das nicht Verwirklichte und das Versäumte
In meinem Kopf, pragmatisch aufgeräumten,
Zählt es mir auf als Fazit unter`m Strich.

Auf dieser Liste stehen viele Orte,
Von mir als Unerreichbar angeklagt,
Beziehungen, in welchen ich versagt,
Das beste Lied, das ich noch schreiben wollte,
Der wahren Liebe unverfälschte Worte,
Die ich noch nie und niemandem gesagt,

Und vieles mehr. Verdrängt, versteckt, verschoben,
Ersetzt durch Dinge, stehend über`m Strich,
Substantiell, notwendig, wesentlich
Für einen Weg nach vorne und nach oben.
Nur schade, dass bevor ich abgehoben,
Starb mein geschwächtes eigentliches Ich.

 

Was sind wir?

Jeder will finden das, was sich lohnt
Gesucht und gefunden zu werden.
Sind wir aus göttlichen Genen geklont
Oder ein Annex der Erde?

Ewige Fragen nach Wahrheit und Sinn
Und nach der Daseinsberechtigung.
Sind ein Desaster oder Gewinn
Wir, Nimmersatt oder Möchtegern?

Zweifler und Träumer, König und Knecht –
Jedem die seinige Haube.
Ob in der Matrix oder in echt,
Sind wir nur das, was wir glauben.

Das Jammern

Die Jammerer, die jungen und die alten,
Besitzen dieses fragliche Talent,
Das Übliche für einen Fluch zu halten
Und sind darin erstaunlich konsequent.
Gehört zum Herbst das miese kalte Wetter,
Zum Alter Rheumatismus und Verschleiß!
Und wenn ich das Talent nicht selber hätte,
So würd‘ ich sagen: Seid doch endlich leis!
Genießt die Mannigfaltigkeit des Lebens
Und findet für den Abschied Zeit und Mut.
Wer viel genommen, hat auch abzugeben.
Obwohl ein bisschen Jammern tut so gut!

Die Anmut der Vergänglichkeit

Bild von Lilija Grieger

Die Zeit ist nun spürbar und sichtbar,
Substanzlos oder gefüllt.
Der unbarmherzige Richter
Beobachtet mich unverhüllt,
Drängt sich in meine Gedanken,
Hämmert in meinem Ohr.
Die rhythmischen Wellen ranken
Durch meinen Körper empor.
Vermischen sich mit dem Regen,
Der Tränen um mich vergießt
Und der Zukunft entgegen
In die Ewigkeit fließt.
Mein irdischer menschlicher Kleinmut
Trauert um jeden Verlust.
Der holden Vergänglichkeit Anmut
Ist nur den Göttern bewusst.

Wetterfühlig

Gefühle und das Wetter sind nicht käuflich,
Sie sind zwar unbeständig, aber frei.
Ob schlecht, ob gut und allgemein gebräuchlich –
Das ist den Sonderlingen einerlei.

Im Gegensatz zu unseren Gedanken,
Manipulierbar und auch fremdbestimmt,
Sind sie spontan und eigensinnig schwankend,
Mal Glück, mal Strafe, oder wie man’s nimmt.

Ich dachte, ich bin frei und unabhängig,
Und nun versklavt von eigenem Gemüt,
Getrieben von den Wolken in die Enge,
Durch meine Herkunft gar nicht abgebrüht,

Beschwöre ich den Wettergott um Gnade.
Die grauen Zellen frieren im Gehirn.
Gestrenge Herren* starten die Parade,
Die kalte Sophie zeigt mir ihre Stirn.

* Die Eisheiligen

Eine Frühlingskur

In meinem Kopf, gesteuert durch die Sonne,
Klingt heute Morgen fröhliche Musik.
Der Text ist schlicht: Der Frühling hat begonnen.
Aus diesem Anlass macht sich alles schick.

Der eitle Himmel schmückt sich mit den Wolken,
Die frische Böe kämt ein bisschen wirsch
Die ersten Blumen, ein robustes Völkchen,
In weißen Röckchen unausstehlich hübsch.

Gemäß den ungeschriebenen Gesetzen
Auch ich beginne eine Frühlingskur:
Her neue Kleider, Schuhe und als Letztes
Zum Outfit eine passende Frisur!

Zwei Schlangen (Eine Fabel)

Zwei Schlangen treffen sich im Feld.
Geächtet von der ganzen Welt,
Nicht hübsch und vom Charakter träge,
Schwarz-braun gefärbt und Brillenträger –
Gefährlich, giftig, primitiv,
Nur für einander attraktiv.
Das Männchen bäumt sich auf im Bogen,
Das Weibchen windet sich gewogen.
So, gegenseitig heiß begehrt,
Sind sie schon fast beneidenswert.
Kein falscher Stolz und keine Flausen!
Und neulich, in der Mittagspause,
Sah ich sie, immer noch verknallt,
Jedoch in menschlicher Gestalt:
Nicht hübsch und vom Charakter träge,
Die Zicke und die Nervensäge,
Und resümierte: Eigentlich
Ist glücklich sein erstaunlich schlicht!
Denn bist du eine flache Flunder,
Lass‘ dich von Ähnlichen bewundern.

Das Leben ist gemein

In jedem Anfang schimmert schon das Ende.
Begrenzte Zeit beschreiben wir und wenden
Das Blatt des Lebens, immerwährend wissend,
Es wird zum Schluss vergilbt und weggeschmissen,
Wie überholtes altes Inventar,
Egal wie wichtig deine Botschaft war.

In jeder Liebe weilt bereits der Abschied.-
Kein Phönix steigt lebendig aus der Asche.
Nur ein Gedanke ist von ihm geblieben –
Die nüchterne Vergänglichkeit der Liebe.
Und ohne sie, an Selbstbetörung arm,
Verliert das Leben seinen Sinn und Scharm.

Das Abschiedsfest verdirbt der Tropfen Wermut.
Letztendlich bleibt nur eine leise Wehmut.
Denn die Geschenke, wenn auch unvollkommen,
Sind dem Beschenkten wieder weggenommen
Nach den besagten Regeln der Chemie:
Gesundheit, Schönheit, Kraft und Energie.

Und dankend für die Gnade des Vergessens
Behauptet man, der Lage angemessen,
Gedemütigt von Schicksal und verhöhnt:
So ist das Leben, hart und trotzdem schön!

Ihr Heuchler, Esoteriker und Fromme,
Mit Ansichten verworren und verschwommen,
Der pseudo-optimistische Verein,
Gibt es doch zu! Das Leben ist gemein.

Der Zweifel

Der Zweifel ist mein Glaube, zweifelsohne.
Ich spinne stets in eigener Regie,
Sonst wäre ich noch fromm wie die Mormonen
Und machtbesessen wie Scientology.

Er macht mein Leben etwas ungemütlich,
Denn nicht zu wissen – ist ein schweres Los.
Das Hin und Her befördert mich minütlich
Vom Wolkenkratzer in das Erdgeschoss.

Mein sturer Kopf verhält sich eigensinnig
Und traut nicht mal der Ampel neuerdings.
Nur eins ist klar: Ich zweifle, also bin ich,
Mein eigen Quälgeist und die dunkle Sphinx.

Das Glück

Unlängst war ich am Überlegen:
Wie konnte ich mein Glück verlegen?
Es war doch immer greifbar nah,
Egal was ringsherum geschah.
Und als ich damals fast ertrunken,
Hat es mir freundlich zugewunken,
Doch retten musste ich mich selbst,
Ob es mir passt oder gefällt.

Im Urlaub oder im Konzert,
Schon im Voraus von mir begehrt,
Erschien es, flüchtig, unvollkommen,
Und ist mir jedes Mal entkommen –
Bevor ich es am Schopf gepackt,
Doch mit dem Teufel einen Pakt,
Dank Goethe, wollte ich nicht schließen –
Hat keinen Sinn, wie alle wissen.

Und trotzdem, hab‘ ich es gesucht,
Geplagt von Ungeduld und Sucht
Nach neuen Menschen oder Orten,
Nach Lob- und Anerkennungsworten,
Erahnte es im Liebesschwur
Und in der Stille der Natur.
Das Holde blieb mir unzugänglich,
Zu illusorisch, zu vergänglich.

Es zeigte manchmal sein Gesicht
In dem gelungenen Gedicht,
In der Musik vertrauten Klängen,
Sogar im menschlichen Gedränge!
Verschwand dann doch zu meinem Pech
Im oberflächlichen Gespräch.

Mein Glück, ich fühle mich betrogen:
Ein kranker Junkie ohne Droge,
Seit Jahren bin ich auf Entzug!
Es war von dir kein feiner Zug,
Im Dunkeln tappen mich zu lassen
Und meine Nerven zu verprassen,
Wobei, gepaart mit Lebensgier,
Warst du die ganze Zeit in mir!

Die Weisheit wurde mir bewusster
Als ich den Schlüssel suchen musste,
Deshalb ein Treffen abbestellt,
Die Wohnung auf den Kopf gestellt
Und dann, zu meiner Überraschung,
In meiner vollgestopften Tasche
Da fand ich ihn, den Heißbegehrten,
Als ich den ganzen Kramm entfernte,
Obwohl, ich bin doch nicht verrückt! –
Drei Mal in diese reingeguckt!

So ist es auch bei Unsereinem
Mit Glücksgefühlen jeder Art.
Wer hektisch ist, der findet keine
Und kriegt ein fades Surrogat.