Die Schlange

Wie eine Schlange bin ich bereit
Mich wiederholt zu heuten.
Aus der verkrusteten Schale befreit,
Lande ich hier und heute.

Alles real, die Umgebung bekannt,
Trotzdem fühlt es sich falsch an.
Zwingt mich erneut der Betrüger-Verstand
Mit dieser Welt zu feilschen?

Was ist nun wichtig im folgenden Akt
Ohne die Pein der Pathetik?
Liebe, vergänglich, naiv und abstrakt,
Sex ohne Sinn für Ästhetik?

Wem gilt der Beifall, die wechselnde Gunst
Jener, hinter der Rampe?
Endet als Diva die treulose Kunst
Oder als alte Schlampe?

Was fühlt sich echt an? Ein nacktes Gedicht?
Gelten oder Gelingen?
Oder genügt es, einfach und schlicht
Unter der Dusche zu singen?

Was hat Bestand ohne heiligen Schein,
Aufrichtig und pulsierend?
Träume der Kinder, die waren einst mein,
Dann lebe ich eben ihre.

Diese Welt ist pur nicht zu ertragen

Diese Welt ist pur nicht zu ertragen –
Schlauer Spruch und leider nicht von mir.
Die nicht anders können und sich wagen,
Bringen ihre Nöte zu Papier
Und erschaffen Bilder ihres Wahnes:
Eine Welt, die uns den Atem raubt,
Nennt sie Flucht, Begeisterung, Nirwana –
Wehe dem, der selbst an diese glaubt.

Eine heiße Nacht

Ich wache auf – im Fenster grinst der Mond.
Ich frage ihn: Was gibt es denn zu grinsen!?
Die aufgeblähte gelbe Riesenlinse
Betrachtet mich bewertend wie James Bond.

Was für ein niederträchtiger Voyeur!
Hat wohl in seinem Himmel Langeweile
Und glotzt auf die entblößten Körperteile
Der alten Weiber und der jungen Gör.

Von mir beschämt versteckt er seinen Kopf
In einem Knoten zotteliger Äste.
Die Stadt liegt nackt und atmet durch die Fenster,
Von Tageshitze immer noch erschöpft.

Geschichten ohne Anfang

Wie schön sind die Geschichten ohne Anfang!
Denn alles, was in meinem Kopf passiert,
Ist zwar ein Drama, doch der gute Ausgang
Ist den Akteuren meistens garantiert.

Im Alltag – Friede, Freude, Eierkuchen,
An Feiertagen – Sekt und Kaviar,
Erfüllung jeder heimlichen Versuchung,
Karibikurlaub zwei-drei Mal im Jahr.

Und alle Typen mit sensiblen Ohren,
Mit Urlaubswunsch auf Rügen oder Sylt,
Sind für den schönen Trip nichts auserkoren,
An ihrem öden Leben selber schuld.

So wie auch du, mein Anlass für Gedichte,
Mein Grund zum Sterben, ohne dass ich’s tat.
Ich danke dir, dass unsere Geschichte
So kreativ nicht angefangen hat.

Der Regenbogen

Von dem Regen getauft, von der Sonne bekehrt,
Fasziniert von dem leuchtenden Ehering,
Ich mutiere zu unaufgeklärt
Und zur Regenbogenanbeterin.

Ich verbeuge mich tief, ignoriere die Not
Meines überempfindlichen Ischias‘,
Vor dem siebenfarbigen Gott
Der australischen Aborigines.

Wie das Leben – ein kurzes Entzücken des Lichts
Ohne sichtbar erkennbarer Absichten:
Weder Anfang noch Ende, empor aus dem Nichts
Steigt der Bote der himmlischen Nachrichten.

Diese lauten: Es lebe die Illusion!
Auch die Schönheit ist ein Provisorium:
Eine schöpferische Vision
Ohne Anspruch auf Moratorium.

Die Vergänglichkeit fordert von uns ihren Preis,
Das Erwachen aus geistigen Ohnmachten.
Auf der Erde schließt sich der Kreis,
Wenn wir ihn aus der Höhe beobachten.

Ein Versuch, die hohe Scheidungsquote zu erklären

Es reicht nicht aus, ein guter Mensch zu sein,
Um einen anderen an sich zu binden.
Unfähig miteinander und allein,
Wir wünschen uns den Richtigen zu finden.

Der Richtige entpuppt sich schnell als falsch,
Die Ehe als Duell der Besserwisser.
Der Geist ist willig und das schwache Fleisch
Begnügt sich mit den lauen Kompromissen.

Und sehnt sich wieder nach Perfektion,
Trotz der Vernunft und skeptischer Prognose,
Nach einem Seelenklang in unison
Und einer körperlichen Symbiose.

Verzeiht mir diesen exaltierten Spruch
Und meine Art, sarkastisch und belehrend.
Das war nur ein poetischer Versuch,
Die hohe Scheidungsquote zu erklären.

Im meinem Kopf

Nach ihrer Art, pragmatisch und belehrend,
Sprach linke zu der rechten Hemisphäre:

„Was sind wir heute wieder mal pathetisch,
Und so euphorisch-peinlich sprachgewandt,
Mit Ansichten verschwommen-hypothetisch
Verwirrst du jeden menschlichen Verstand.

Wo sind die felsenfeste Argumente,
Die Logik und der klare Sachverhalt?
Dein Monolog ist eine Zeitverschwendung
Und bringt nicht viel, sobald der Rausch verhallt.“

So missverstanden und sogar geächtet,
Gefühlsbetont erwiderte die Rechte:

„Du selbstverliebte linke Intrigantin!
Derart Verhalten finde ich nicht nett!
Dein Faktenwissen scheint mir dilettantisch
Und kommt hauptsächlich aus dem Internet.

Die Logik bringt uns keineswegs nach vorne,
Verschafft auch keinen aufgeklärten Blick.
Der Mensch erkämpft sich Wege durch die Dornen,
Nicht in der Kenntnis liegt das holde Glück!“

Die Linke: „Glück? Du meinst Illusionen,
Betrug durch kognitive Dissonanz.
Damit erreichst du, Dummchen, Zweifel ohne,
Nur mehr Enttäuschung, Irrtum und Distanz.

Der Mensch braucht klare Regeln und Strukturen
Der Inhalt steht bei ihm im Vordergrund.
Und ohne mich verliert er schnell die Spuren
Des Lebenszieles sowie die Vernunft.“

„Vernunft und Anstand!“ – lachte laut die Rechte.
„Was sind sie ohne Kreativität!?
Der öden Ordnung kleinliche Verfechter
Mit Lebenszielen ohne Qualität.“.

Geschult von Pseudowahrheiten und Märchen,
Die beiden Hälften stritten nicht gelind
Und wussten nicht, dass sie, wie manche Pärchen,
Sogar getrennt, noch fest verbunden sind.

Mein armer Kopf zerbricht sich selbst in Wut:
Wie bringe ich sie unter einen Hut?

Die Musik schweigt

Weniger Glück als Verstand,
Leider nicht umgekehrt.
Dein blindes Herz hat verkannt
Meiner Liebe Wert.
Taub, hat es nicht gehört
Meiner Stimme Klang,
Vorsichtig, abgewehrt
Der durstigen Seele Drang,
Verglich im pragmatischen Test
Zweier Herzen Frequenz,
Sachlich stellte es fest
Die peinliche Differenz
In Form einer schlichten Vier –
Mein Urteil und Ungeschick.
Wie ein verstummtes Klavier
Schweigt in mir die Musik.

Physiologisches

Der Mensch als solcher ist unappetitlich,
Die Models ausgenommen und vielleicht
Kleopatra und schöne Nefertete,
Obwohl auch diese hatten es nicht leicht,

Gemäß Geschichte. Doch zurück zum Thema.
Was hat sich die Natur dabei gedacht,
Als sie uns mit den peinlichen Problemen
Des Körpers in Verlegenheit gebracht!?

Wir werden älter, dicker, bei der Hitze,
Bei intensiver Arbeit und beim Sport
Verkleben uns die Haare und wir schwitzen,
Bekommen Pickel, Schuppen und so fort.

Unangenehm sind Tropfen aus der Nase,
Noch schlimmer, wenn kein Taschentuch zur Hand,
Wie furchtbar fühlt sich an die volle Blase
Im langen Stau ist jedermann bekannt.

Und das mit der Verdauung – ist doch Käse:
Zu kompliziert und menschenwürdig kaum.
Für die vorzügliche Fotosynthese
Beneide ich tagtäglich jeden Baum.

Die Welt der frischen Düfte mögen alle,
Von schönen Farben sind wir fasziniert.
Erzählt das nach dem Essen eurer Galle,
Die immerfort ihr „Kunstwerk“ produziert.

So stolz auf den Verstand und das Bewusstsein,
Auf scharfe Sinne und das Feingefühl,
Der Mensch als solcher ist und bleibt ein Pupser,
Des Universums kleines Molekül.

Eine kleine Spinnerei

Großer Geist, bewahre mich davor,
über einen Menschen zu urteilen,
ehe ich nicht eine Meile in seinen
Mokassins gegangen bin.
(Indianisches Sprichwort)

Wenn ich allmächtig wäre wie der liebe Gott,
Beziehungsweise wie die liebe Göttin,
So hätte ich dem Skeptiker zum Spott
Für einen Tag so Einige genötigt
Zu einem Tausch, zum Leben andersrum,
Um Abgestumpfte endlich aufzuwecken:
Die Reichen arm gemacht, die Klugen dumm,
Beschenkt die Schlanken mit massivem Becken;
Die Pummelchen bekämen den Appel,
Sich stundenlang beim Fitness abzurackern,
Die Egoisten mit dem dicken Fell
Verspürten Liebesschmerz und Herzens Flackern;
Ein arroganter weißer Idiot
Erführe die Probleme eines Schwarzen,
Herzloser Arzt – die Patienten Not,
Der Patient – die Grenzen eines Arztes;
Ein Hetero mutiere unverhofft
Zu einem sanften Homosexuellen…
Um Menschen zu verstehen, hilft es oft,
Den Durst zu stillen aus der selben Quelle.

Es hätte zweifellos nicht viel gebracht,
Sobald die alte Ordnung wieder käme,
Doch hätte ich zumindest viel gelacht
Bei dem Versuch die Menschen zu beschämen.