Ein Malheur

Im Lande der vielen Schlösser,
Heines Werk auf der Spur,
Bin ich fest entschlossen,
Ein Scherflein zur deutschen Kultur
Unaufgefordert zu leisten,
Im Reimen ein bisschen geübt.
Man weiß, bei dem großen Meister
War Loreley sehr beliebt.
Auch ich bin ein deutscher Dichter,
Wenn auch aus Karaganda,
Und will von der Schönen berichten,
Doch leider ist sie nicht da!
„Du bist ja schließlich nicht Heine“, –
Spricht zu mir die Vernunft.
Trotzdem eine Gemeinheit
Gegenüber der Zunft!
Ich habe mir Urlaub genommen,
Die Flucht aus dem Alltag gewagt!
Jetzt stehe ich hier beklommen,
Vom Regen und Wind geplagt.
Was soll ich jetzt, bitteschön, dichten? –
Kein Weib, keine Leiche im Rhein.
Eine gescheite Geschichte
Fällt mir leider nicht ein.
Vorbei die romantischen Zeiten:
Kein Aufruhr, Kein Sturm und Drang,
Kein Ritter an meiner Seite
Und auch kein Minnesang.

Dann habe ich doch eingesehen:
Die Jungfrau gibt es nicht mehr,
dafür auf den Flüssen und Seen
Sicheren Schiffsverkehr.
Die Blonde könnte sich sparen
Die Show und das heikle Malheur,
Kämme sie ihre Haare
Daheim oder beim Friseur.
War es denn wirklich nötig
Lieder zu trällern am Rhein,
Deswegen fahrlässiger Tötung
Von allen beschuldigt zu sein?
Man hat schon für mildere Taten
Frauen zu Hexen erklärt.
Und soll ich euch `was verraten? –
Ich finde es auch unerhört!
Weiß auch nicht, warum und worüber
Ich eigentlich traurig bin?
Vielleicht verfasse ich lieber
Ein Loblied auf Balduin*.

* Erzbischof und Kurfürst, Mittel-Rhein, 14. Jahrhundert

Mozart und Rachmaninow

Der Sinn der dialektischen Gesetze
Erschließt sich mir mit jedem neuen Jahr.
Das Leben ist ein Kampf der Gegensätze,
Worin sie einig sind – nicht immer klar.

Zu wissen reicht nicht. Menschen müssen spüren
Die Grenze zwischen Gnade und Verstand.
Ich ging gebeugt durch viele Kellertüren,
Bis ich der Sonne gegenüber stand.

Der lange Weg war keine Zeitvergeudung:
Ich akzeptierte Kampf und Einigkeit,
Rachmaninow’s verzückte dunkle Freude
Und Mozart’s sündhaft helle Traurigkeit.

Im Diogenes Fass

Im Kloster meines eingesperrten Geistes,
Umgeben von Gedanken und Musik,
Muss ich nichts gelten und schon gar nichts leisten
Und bin geschützt vor jedem fremden Blick.
Kein dummer Streit um Recht und Anerkennung,
Wenn überhaupt hier einer widerspricht,
Dann bin es ich. Und so, wie ich mich kenne,
Zum Schluss verschwinden Zweifel im Gedicht
Und wieder Ruhe. Traurigkeit und Wonne,
Illusionen, Liebe, Neid und Hass, –
Erspart mir die, und geht mir aus der Sonne.
Es geht mir gut im Diogenes Fass.

Der Streit mit Onkel Gert

Du meinst es gut – es kommt verkehrt, wie immer:
Mit Rotz und Tränen, Vorwurf und Gewimmer.
Der Eine fühlt sich schwach und abgesetzt,
Der Andere in seinem Stolz verletzt,
Der Dritte, der sich selbst um gar nichts scherte,
Versucht die gute Absicht abzuwerten.
Und wenn ihr glaubt, dass nur bei uns – mitnichten,
Dann denkt an Menschen grausame Geschichte,
An Marx und bolschewistisches Komplott,
An Martin Luther und den lieben Gott.
Aus jeder Wohltat der Idealisten
Entstehen Siege der Antagonisten.
Kreuzzüge, Kriege, Revolutionen…
Der Streit mit Onkel Gert war auch nicht ohne!

Beziehungsunfähig

Das Zeichen unserer Zeit –
Die Angst vor zu viel Nähe.
Der Preis ist die Einsamkeit,
Das Urteil – beziehungsunfähig.

Was für ein schlechter Scherz!
Wer ist der Drahtzieher?
Auch ein enttäuschtes Herz
War mal eine Beziehung.

Weigert sich der Verstand
Des ausgepeitschten Pferdes
Von einer fremden Hand
Angebunden zu werden?

Liebe erzeugt kein Leid,
Senkt bewertende Blicke,
Sie ist immer bereit
Seelenlöcher zu flicken.

Liebe ohne Gewähr
Ist kein Grund sich zu grämen.
Ist es wirklich so schwer
Das Geschenk anzunehmen?

An die Mitmenschen

Ich habe euch so satt, die Bösen und die Frommen,
Entgegenkommend und voreingenommen,
Diejenigen, die meine Kraft verzehren
Und unentwegt bewerten und belehren,
Nach ihrem Ebenbild verändern wollen
Und überheblich ihre Augen rollen,
Mit ihrer Freundschaft strafen oder rühmen,
Die ihre Schuld mit meinen Taten sühnen.
Die Interessenlosen, die Entzückten,
Die primitiv und kompliziert Gestrickten,
Die Egozentriker, Narzissten und sogar
Mir allerliebsten aus der Menschenschar:
Naive Träumer, sprich: Idealisten
Und unverbesserliche Optimisten, –
Ich hab‘ euch satt. Ich bin der Menschen müde.
Verzeiht mir diese alte Plattitüde.

Auch von mir selbst bin ich enttäuscht, weil ich,
Rückfällig, schwach, rechthaberisch und hitzig,
Die Nachsicht und die Weisheit nicht besitze,
Sie so zu lieben, wie der Schöpfer mich.

Wer seid ihr schon!

Wer seid ihr schon, ihr scheinbar große Tiere,
Die unser Leben lenken und verwalten
Und glauben, dass sie Schicksale regieren,
Den lieben Gott an weichen Teilen halten,
Die Zukunft kennen, die Entwicklung planen;
Die insgeheim wahrscheinlich trotzdem ahnen,
Dass alles läuft gemäß dem Status free
Nicht nach der Weltverschwörungstheorie
Der machtbesessenen Auditoren.

Wir alle sind nur einzelne Vektoren
Der Fortentwicklungskraft, ob böse oder gut,
Die hoffentlich auch weiß, was sie da tut.

Emanzenklage

Ab vierzig sind wir, trotz der Geistesblitze
Und Eleganz, für Männer transparent!
Doch ich mit meinen stolzen fünfundsiebzig,
Ich meine Kilos, immer noch präsent.

Auch starke Männer haben ihre Schwächen
Und suchen mit ohne Alkohol
Bei mir Probleme klärende Gespräche
Und jammern mir damit die Ohren voll.

Im Gegensatz zu anderen Emanzen
Hab‘ ich noch keinen einzigen vermiest!
Ich bremse auch für Männer! Doch zum Tanzen
Wird aufgefordert dieses blonde Biest!

Von grauen Mäusen und bunten Vögeln

Eine Fabel

In einem Garten, sagen wir in meinem,
Hausierte eine brave graue Maus.
War pflichtbewusst, adrett, mit sich im Reinen,
Und lebte, so gesagt, in Saus und Braus.

Sie sammelte und wühlte wie besessen,
War immer satt, vielleicht zu satt sogar,
Hat meine Tulpenknollen angefressen,
So wurde nichts daraus im letzten Jahr.

Und irgendwann vernahm sie ein Gejodel,
Erzeugt durch einen unerwünschten Gast,
Und sah im Kirschbaum einen bunten Vogel,
Der Früchte aß und wippte auf dem Ast.

„Mach‘ keinen Lärm, du freche bunte Fratze“, –
Sprach sie zu ihm aus tiefster Angst und Not. –
„Sonst weckst du noch die faule weiße Katze,
Dann sind demnächst wir beide mausetot.

Mit deinem Rumgetöse und Geflatter
Blamierst du deine Sippe und dein Nest.
Was lehrten dich die Mutter und der Vater?
Nimmst du die deutschen Tugenden nicht ernst?

Das Leben ist kein Spaß, kein Kirschenessen,
Nur ein aus Pflicht und Arbeit schweres Joch.“ –
So sprach die Maus. Der Lage angemessen
Verschwand sie kurz danach im dunklen Loch.

Wer Katzen kennt, der weiß, wie ernst ich’s meine,
Denn Maus und Vogel sind inzwischen tot.
Doch flog und sang sein Leben lang der eine,
Die andere versteckte sich bedroht.

Ich hasse Moralisten aller Arten
Und selbsternannte Besserwisser mit,
Doch wenn das jemand hier von mir erwartet,
So kommt an dieser Stelle das Fazit:

Es ist erlaubt, im kleinen Maß zu mogeln.
So manche Opfer zahlen sich nicht aus.
Drum lieber ein verzückter bunter Vogel
Als eine müde pflichtbewusste Maus.

Trug und Sakramente

Es lebe Dummheit und Illusion,
Und jede friedliche Religion!
Denn, stellt euch vor, wenn jeder Schwachkopf wüsste,
Dass das Konzert der Dünen in der Wüste
Durchaus erklärbar ist als Konsequenz
Der Rutschgeräusche niedriger Frequenz;
Dass der purpurne Sonnenuntergang
Verschmutzte Luft ist oder der Gesang
Der Sommergrillen und der Vogelscharen
Bedeutet nur den simplen Ruf zum Paaren.

Wie einsam wären Menschen ohne Gott.
Beschäftigt mit dem lieben Alltagstrott,
Wir wären selbstverständlich sehr betrübt,
Weil uns, die Auserwählten, keiner liebt,
Und einige auch sauer, Zweifel ohne,
In Anbetracht der fehlenden Belohnung
Für den Verzicht auf die beliebten Sünden.

Wenn alle alles wüssten und verstünden,
So wäre rundherum so wenig los:
Die Dichter wären alle arbeitslos.
Es gäbe keine Wunder auf der Welt,
Wir hätten die Romantik abgestellt,
Die Sonnenuntergänge ignoriert,
Die Zwitschernden und Zirpenden kastriert,
Damit wir endlich in der Herrgottsfrühe
Behaglich schlafen könnten. Keine Mühe,
Kein Sterbenswort und keine Energie
Verschwenden würden wir für die Magie
Der einzig lebenswürdigen Momente:
Für Geist und Seele – Trug und Sakramente!